Silberband 104 - Raumschiff des Mächtigen
stellte er fest, dass sie ganz anders gemeint war, als er sie verstanden hatte.
Tarmairs Schlaf war unruhig. Er erwachte und fühlte sich müder und zerschlagener als zuvor. Von dem Frühstück, das er sich bereitete, warf er die Hälfte wieder weg.
Die Arbeitsperiode hatte noch nicht begonnen. Tarmair war daher einigermaßen überrascht, als er den Türsummer hörte. Er ging, um zu öffnen. Vor der Tür stand ein älterer Mann von ehrwürdigem Aussehen. Er trug ein lose hängendes Gewand aus kostbarem Stoff, und sein Haar hatte den goldenen Schimmer des sorgenfreien Alters.
»Grimroch …!«, schrie Tarmair auf.
Der Mann lächelte freundlich. »Wir haben einander lange nicht mehr gesehen.«
»Das ist wahr!«, rief Tarmair freudig. »Aber ich habe in letzter Zeit oft an dich gedacht.«
Er trat beiseite und ließ Grimroch eintreten.
»Ist das so?«, fragte der Goldhaarige. »Aus einem besonderen Grund?«
»Ich war verwirrt und wollte dir Fragen stellen.«
Grimroch musterte den Spötter mit merkwürdig eindringlichem Blick. Sein Lächeln war verschwunden. Er wirkte jetzt ernst, beinahe hart. »Ja, du musst verwirrt sein«, sagte er. »Sonst wäre ich nicht hier.«
Tarmair spürte, dass seine Freude über das Wiedersehen geringer wurde. »Warum bist du hier?«, fragte er.
»Das mächtige LARD ist mit deiner Abwicklung des Falles Cainstor nicht zufrieden.«
»Warum nicht? Ich habe Cainstor fertiggemacht! Er wird sich nicht mehr hervortun.«
»Das spielt keine Rolle. Dein Auftrag lautete, Cainstor zu töten!«
Tarmair starrte zu Boden. Er wusste nicht, woher er die Worte nehmen sollte, um seine Handlungsweise zu erklären. Schließlich sagte er: »Das konnte ich nicht tun. Cainstor war einmal mein Freund.«
Als er aufsah, erblickte er einen Grimroch, dessen Gesicht zur Grimasse unbeherrschten Zorns geworden war.
»Cainstor war einmal dein Freund?«, schrie Grimroch. »Deswegen missachtest du den Befehl des LARD?«
»Ich dachte, es genügt …«
Grimroch schnitt Tarmair das Wort ab. »Wenn das LARD dir einen Befehl erteilt, brauchst du nicht mehr zu denken! Du hast dich deines Amtes als unwürdig erwiesen! Ein anderer Spötter wird die Sache übernehmen. Er hat bereits den Fall Prentach zur Zufriedenheit des Mächtigen gehandhabt.«
Tarmair war völlig irritiert. Er begriff nicht, was ihm widerfuhr. »Wer ist der neue Spötter?«, fragte er, ohne diese Frage eigentlich stellen zu wollen. »Kenne ich ihn?«
»Natürlich kennst du ihn«, fauchte Grimroch. »Außerdem habe ich ihn mitgebracht. Er will etwas von dir!«
Grimroch ging zur Tür und öffnete sie. Als Tarmair den anderen Spötter sah, stockte ihm der Atem.
Spötterarbeit war stets Männerarbeit gewesen. Tarmair hatte nie von einer Frau gehört, die Spötterdienste verrichtete. Nun stand eine vor ihm. Sie war jung und schön – aufreizend schön, hatte er einmal geglaubt. Sie lächelte, halb verlegen, halb spöttisch, als sei sie unsicher, welchen Gesichtsausdruck es in einer Lage wie dieser aufzusetzen galt.
»Nabalik …«, hauchte Tarmair.
»Lass keine Feindschaft zwischen uns sein, Tarmair«, sagte sie hastig. »Ich folgte dem Ruf, das ist alles. Ich brauche die drei Bilder.«
»Bilder?« Tarmair war so verwirrt, dass er gar nicht wusste, wovon sie sprach.
»Die Aufnahmen, die dein Asogene in Cainstors Habe gefunden hat, du Narr!«, mahnte Grimroch ihn schroff.
»Oh ja, die.« Tarmair konnte seinen Blick noch nicht von Nabalik wenden. »Du bist die ganze Zeit über mit Grimroch beisammen gewesen und durch die Schulung gegangen?«
Nabalik machte stolz die Geste der Zustimmung.
»Die Aufnahmen!«, drängte Grimroch.
Tarmair holte sie. Ohne wirklich zu wissen, was er tat, händigte er sie Nabalik aus. Sie überzeugte sich, dass der Umschlag tatsächlich das Richtige enthielt. Später erinnerte sich Tarmair, dass sie beim Anblick eines der Bilder große Augen bekam. Das musste gewesen sein, als sie den riesigen Fremden erblickte.
Grimroch dauerte das alles anscheinend zu lange. Er schob Nabalik in Richtung der Tür. Unter dem Ausgang blieb er noch einmal stehen und wandte sich zu Tarmair um. »Unter anderen Umständen hätte ich wahrscheinlich Zeit und Gelegenheit gehabt, mich mit deiner Verwirrung zu befassen«, sagte er. »Vielleicht wäre es mir sogar gelungen, dir die Gnade des LARD wiederzugewinnen. Aber die Zeiten sind ernst. Ich habe alle Hände voll zu tun, und deine Narrheit ist so groß, dass ich Wochen brauchen würde,
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