Silberband 106 - Laire
mich ohne Tiefenbewusstsein ganz wohl.
In der nächsten Marsnacht war es so weit.
Fanzan-Pran und Lank-Grohan erwarteten mich am Materietransmitter in einem der Nebentürme. Warum bauten wir Loower immer neun Türme zusammen, obwohl nur ein einziger von Bedeutung war? Weil die Zahl Neun eine symbolträchtige Bedeutung hatte. Wir bedeckten auch unsere Körper mit neuneckigen Schutzplättchen, obwohl andere Formen vielleicht zweckentsprechender gewesen wären. Ich weiß das nicht, denn ich habe mir bislang keine eingehenderen Gedanken darüber gemacht. Dafür weiß ich umso besser, dass alles im Leben eines Loowers auf Tradition beruht.
»Wir strahlen dich gleich ab, Goran«, sagte Fanzan-Pran, dem ich fast so viel zu verdanken hatte wie meinem früheren Lehrer Jarkus-Telft. »Ich möchte nur noch einmal deine Ausrüstung überprüfen.«
Meine Ausrüstung bestand eigentlich nur aus einem Impulsgeber, der mit einem auf das terranische Interkosmo programmierten Übersetzungsgerät gekoppelt war. Auf diese Weise stand ich ständig mit dem Türmer auf dem Mars in Verbindung. Doch war diese Verbindung einseitig. Während Hergo-Zovran alle Geschehnisse um mich herum aus meiner Warte beobachten und mithören konnte, war es mir nicht möglich, Befehle von ihm zu empfangen. Eine Gegenverbindung wäre zu riskant gewesen. Aber wenigstens funktionierte das Übersetzungsgerät so, dass ich verstehen konnte, was Terraner in meiner Gegenwart sagten. Da das Gerät auf sechsdimensionaler Basis arbeitete, war nicht zu befürchten, dass sie es entdeckten. Das war wichtig für meine Mission.
Während Fanzan-Pran mich einer letzten Überprüfung unterzog, gab Lank-Grohan mir weitere Instruktionen.
»Eigentlich ist es unnötig, dir Verhaltensmaßregeln mitzugeben«, sagte er abschließend. »Du kannst dich selbst besser auf die Mentalität der Terraner einstellen als ein entelechisch orientierter Wissenschaftler wie ich. Viel Glück, Goran. Falls du in Schwierigkeiten gerätst, holen wir dich zurück.«
»Vielleicht will ich gar nicht zurück«, stellte ich in Aussicht. Das war als Scherz gemeint, wurde von dem Psychologen aber keineswegs so aufgefasst. Loower hatten keinen Humor. Vielleicht war das der Punkt, der die Kluft zwischen Terranern und unserem Volk schier unüberwindlich machte.
Während ich für diesen Einsatz geschult worden war, hatte man mir beizubringen versucht, welche Bedeutung ›Lachen‹ für die Terraner hatte. Ich war von selbst darauf gekommen; Lank-Grohan würde vermutlich noch Generationen darüber grübeln.
»Fertig!«
Ich trat durch das Transmitterfeld und kam irgendwo auf dem Mars heraus. Das heißt, ich kannte zwar nicht die genaue Position, wusste jedoch, dass man mich in die Nähe einer Siedlung von Neukolonisten abgestrahlt hatte.
Abenddämmerung lag über dem Gebiet. In den improvisiert wirkenden Gebäuden am Horizont ging soeben die Beleuchtung an. Von der Neunturmanlage war weit und breit nichts zu sehen, sie lag hinter dem Horizont.
Da es empfindlich kalt war, schloss ich einige meiner Körperplatten zum Schutz zusammen. Hier, weitab von dem Monument loowerischer Kultur, erinnerte mich der Mars noch mehr an Alkyra-II, wo ich geboren war.
Ich sah mich im Geist meine ersten Schritte aus der THAMID tun, die Bekanntschaft der primitiven Monaden machen und erlebte noch einmal meinen ersten Ausritt auf einem dieser Plasmawesen in die Wüste. Über allem hing die telepathische Stimme der Duade, die ich in jungen Jahren für die Gottheit unseres Volkes hielt.
Später, als sich mein Tiefenbewusstsein entwickelte und ich zu einem vollwertigen Loower heranreifte, erkannte ich, dass das Plasmawesen nur die Gedanken meines Ordinärbewusstseins aushorchen konnte. In der Folge zeigte sich, dass die machthungrige und herrschsüchtige Duade keine Ahnung hatte, dass wir Loower in Wirklichkeit sie mit unserem entelechischen Denken beherrschten.
Doch sie entwickelte sich progressiv weiter. Jeder ihrer Ableger erreichte eine höhere Entwicklungsstufe, und das wäre uns beinahe zum Verhängnis geworden.
Hergo-Zovran hatte die Duade in der THAMID ins Solsystem gebracht, um sie als Druckmittel gegen die Terraner einzusetzen. Auf dem Flug hierher hatten ihre mutierten Ableger jedoch die Fähigkeit erlangt, unsere Tiefenbewusstseine zu erreichen. Als ich diese Gefahr erkannte, sprengte ich die Bugkapsel der THAMID mitsamt der Duade und ihren Ablegern ab und vernichtete sie. Ich hatte mich als Retter meines Volkes
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