Silberband 107 - Murcons Vermächtnis
längere Zeit mit Sauerstoff versorgen? Wenn das geht, hätte ich ein prima Versteck gefunden.«
»Ich bin in der Lage, jedes Lebewesen für praktisch unbegrenzte Zeit am Leben zu erhalten«, behauptete Nistor.
»Dann brauchen wir uns nur noch zu überlegen, wie wir gegen Boyt vorgehen sollen. Er wird hierher zurückkommen und sich dann wahrscheinlich sofort mit dir befassen. Am besten wäre es, dann sofort zu handeln, um das Überraschungsmoment zu nutzen.«
»Das kommt mir sehr entgegen«, sagte Nistor.
Boyt Margor lieferte die fünfzig Tempester auf Deck 9 ab und schwebte im Antigravlift zum Mitteldeck hinunter. Dort war der Helk untergebracht.
Poul Santix kam ihm mit seinen Gehilfen entgegen. »Nehmen wir uns den Helk vor?«, fragte der Hyperphysiker.
Margor nickte grimmig. Er hielt das Auge fest in der Hand, bereit, von seinen Möglichkeiten Gebrauch zu machen, falls es die Situation erforderte.
Santix öffnete die Tür zu dem Abteil, in dem der Helk untergebracht war. Die Paratender verteilten sich zu beiden Seiten des Zugangs mit entsicherten Waffen. Margor trat zwischen ihnen hindurch.
»Der Helk hat sich selbstständig geteilt!«, rief einer der Paratender.
»Das ist unmöglich.« Santix stieß einen seiner Gehilfen zur Seite, um sich Zugang zu verschaffen. »Tatsächlich. Aber wie ist das möglich?«
Margor war stehen geblieben. Unvermittelt gerieten die Helk-Teile in Bewegung.
»Feuer!«, schrie der Gäa-Mutant.
Ein heftiger Schlag traf seine Hand, die das Auge hielt. Die Hand wurde gefühllos. Margor wollte den Arm heben, um das Auge vors Gesicht zu bringen. Aber das ging nicht.
»Zerstrahlt den Roboter!«, befahl er.
Die Paratender eröffneten das Feuer. Margor hob den gesunden Arm mit dem Strahler und drückte den Auslöser. Er sah, dass der Helk in einer Energielohe verschwand. Ihm entging aber auch nicht, dass die Segmente sich immer schneller bewegten.
Eines von ihnen kam näher. Margor wich bis zur Wand zurück. Er wollte sich mit einem Sprung zur Seite in Sicherheit bringen, doch er reagierte zu spät. Im selben Moment wurde er zwischen dem Helk-Segment und der Wand eingeklemmt.
»Boyt!«
Er blickte zur Seite und sah Baya Gheröl.
»Baya, hilf mir«, brachte er mühsam hervor. Aber sie antwortete nicht. Sie bückte sich an seiner Seite, und Margor sah fassungslos, dass sie ihm das Auge aus den steifen Fingern entwand.
»Baya, tu das nicht! Du …«
»Leb wohl, Boyt!«
Sie lief davon. Boyt sah sie in der Seite des Helks verschwinden, Gleich darauf ließ das kleine Segment von ihm ab und schwebte zu dem Zylinderkörper zurück, der aus den Fragmenten wiederentstanden war.
Mit einem Aufschrei riss Margor den Strahler hoch.
»Schießt!«, brüllte er. »Schießt, ihr verdammten Narren!«
»Wir haben gezögert, weil das Mädchen …«, versuchte Santix zu erklären.
Nahezu gleichzeitig verschwand der Helk.
»Das gibt es nicht«, stammelte Santix fassungslos. »Er kann sich nicht einfach in Luft aufgelöst haben.«
»Nein?«, schrie Margor. »Kann er das nicht? Es ist aber so.«
Baya hatte ihm das Auge entwendet. Sie wusste offenbar, wie es einzusetzen war.
»Boyt …«, versuchte Santix, ihn zu beruhigen.
Margor schlug ihm die Waffe ins Gesicht. Mit aller Kraft schlug er mit dem gesunden Arm auf den Hyperphysiker ein.
»Das Auge … es ist weg!«, stammelte er. Als Santix zusammenbrach, schrie er die Paratender wie von Sinnen an. »Wisst ihr überhaupt, was das bedeutet?«
Sie wichen vor ihm zurück.
»Ohne das Auge sitzen wir für immer im Hyperraum fest!«
Das waren Vorwurf und Anklage, als seien die Paratender an der verhängnisvollen Entwicklung schuld. Langsam zeichnete sich Begreifen auf ihren Gesichtern ab – und Entsetzen.
Mit einem animalischen Schluchzen stürzte Margor davon. Er schloss sich in seine Privaträume ein. Dort verließen ihn endgültig die Kräfte.
Er gab sich seinem Schmerz, seiner Wut und der Enttäuschung hin. Er rollte sich auf dem Boden zusammen, winkelte Arme und Beine an und presste sie fest an den Körper. In der Stellung eines Fötus lag er zitternd da, einem verzweifelten Kind gleich, dem man das liebste Spielzeug weggenommen hatte.
Er war auf dem Höhepunkt der Macht gewesen, doch im Augenblick des größten Triumphs hatte er alles verloren. Nun war er ein Opfer seiner eigenen Aktivitäten. Gefangen im Hyperraum, eingeschlossen in Großklause zwei, keine Aussicht auf Befreiung.
Ohne das Auge war er hilflos.
21.
Mulka
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