Silberband 107 - Murcons Vermächtnis
Betonguss hielt den Anstrengungen der Kämpferinnen nur kurz stand. Knirschend und splitternd gab sie nach. Sekunden später standen Salsaparú und ihre Begleiterinnen im Keller des königlichen Palasts.
Von den Uniformierten geführt, erreichte Pankha-Skrin eine hohe Halle. Im Hintergrund, auf einem über Stufen erreichbaren Podest, stand ein mächtiges Sitzmöbel. Ein Zaphoore hatte es sich dort bequem gemacht, der womöglich noch stärker, größer, dicker und bunter gekleidet war als Oberbruder Vajlan. Rings um das Podium standen Zaphooren, die anscheinend den Hofstaat des Königs bildeten. Pankha-Skrin zweifelte nicht daran, dass der Koloss auf dem Thron Boronzot, der Oberherr der Wahren Zaphooren, sei.
Die Uniformierten bedeuteten ihm, bis an die unterste Stufe des Podiums zu gehen. Pankha-Skrin gehorchte; aber dann tat er etwas, womit die Zaphooren nicht gerechnet hatten. Er setzte sich auf den Boden. Das Gefolge des Königs murmelte unwillig. Pankha-Skrin glaubte, Dutzende feindselige Blicke zu spüren.
Boronzot beugte sich auf seinem Thron nach vorn, als traue er seinen Augen nicht. Der Quellmeister ließ sich durch den allgemeinen Unmut aber nicht beirren. Seine Sehorgane erfassten die ungewohnte Szene und analysierten sie.
Die Formenvielfalt der Zaphooren war nahezu unglaublich. Ein oberflächlicher Beobachter hätte leicht zu dem Schluss kommen können, die Bewohner des Großen Gasthauses seien ein Gemisch aus Dutzenden verschiedener biologischer Arten. Da gab es Geschöpfe mit zwei Köpfen neben solchen, die nur einen Kopf besaßen, und wieder anderen, an denen kein Kopf zu erkennen war. Es gab Ein-, Zwei- und Dreiarmige, und dieselbe Vielfalt war bei den unteren Extremitäten zu beobachten. Die Körpergrößen variierten von einem halben bis zu zwei Metern, ebenso gab es ein ungewöhnlich breites Spektrum von Körperweiten.
Sowenig Gemeinsamkeit die Zaphooren untereinander auch zu haben schienen, Pankha-Skrin war dennoch sicher, dass er die Abkommen nur einer einzigen biologischen Art vor sich hatte. Die Urahnen der Zaphooren mussten zweibeinige, zweiarmige, mit einem Schädel zur Unterbringung des Denkzentrums und der wichtigsten Wahrnehmungsorgane ausgestattete Intelligenzen gewesen sein, wie man sie vornehmlich unter den Bewohnern von Sauerstoffwelten fand. Im Lauf der Generationen waren die Zaphooren mutiert – womöglich weil sie nur mangelhaft gegen kosmische Strahlung geschützt waren. Die Vielfalt, die der Quellmeister sah, war die Folge unzähliger Mutationen.
Weiter kam er mit seinen Beobachtungen nicht. Inzwischen hatte sich Boronzot von seiner Aufregung erholt und gab seinem Gefolge zu verstehen, dass er seinem Gast die Unverschämtheit nachsehen wollte.
Er besaß ein Gerät, wie es alle trugen, die mit dem Loower zu sprechen hatten.
»Bist du ein Gastwirt?«, lautete seine erste Frage.
»Mir ist der Begriff Gastwirt nicht geläufig«, antwortete Pankha-Skrin. »Ich bin sicher, dass er in eurer Sprache eine besondere Bedeutung einnimmt. Um deine Frage beantworten zu können, muss ich wissen, woran man einen Gastwirt erkennt.«
Abermals gab es Gemurmel unter dem Hofstaat. Noch konnte Pankha-Skrin die Physiognomie der Zaphooren nicht deuten. Aber es erschien ihm, als wechselten viele betretene Blicke. Die Vorstellung, dass ein Gastwirt nicht wisse, ob er einer sei, war ihnen schwer begreifbar.
»Ein Gastwirt, das ist einer, der ein Großes Gasthaus wie dieses besitzt oder besessen hat. Einer, der die Grenze …«
Weiter kam Boronzot nicht. Im Hintergrund wurde das Portal aufgestoßen, durch das Pankha-Skrin gekommen war. Geschrei hallte heran, eine Horde Uniformierter versuchte, eine kleine Gruppe von Zaphooren zurückzudrängen. In der Gruppe erkannte der Quellmeister den breitschultrigen, stiernackigen Vajlan.
»Es droht Gefahr!«, schrie Vajlan. »Die Schiefäugige Salsaparú weiß, dass du einen Gastwirt bei dir hast!«
Da machte Boronzot eine herrische Geste.
»Lasst den Mann vor!«, befahl er den Uniformierten.
Im selben Augenblick drang schrilles Geschrei durch das noch offene Portal herein – so schrill, als käme es von tausend gepeinigten Teufeln. Eine brüllende Horde von Zaphooren, die kleiner und zierlicher gebaut waren als alle anderen, die Pankha-Skrin bislang zu Gesicht bekommen hatte, stürmte heran.
Boronzot war aufgesprungen und schrie mit einer Stimme, der die Angst deutlich anzuhören war.
Die Wahren Zaphooren hatten mit einem solchen Überfall
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