Silberband 107 - Murcons Vermächtnis
Vereinbarung wirklich in jeder Hinsicht einhalten würde.
Szallo und Vajlan bildeten die Vorhut. Der Vorstoß in das Reich der Blinden ging zunächst vorsichtig und behutsam vonstatten. Bald erkannte Vajlan, dass sie sich in einem unbesiedelten Abschnitt der Unterwelt befanden, und er trieb seine Leute zur Eile an.
Nach mehreren Stunden blieb Szallo plötzlich stehen und mahnte mit einer lautlosen Geste zur Vorsicht. Die Lampen wurden abgeschaltet. Als sich die Augen an die Finsternis gewöhnt hatten, wurde weit im Hintergrund ein matter gelblich roter Lichtschein erkennbar.
Vajlan wandte sich an seine Leute. »Ihr folgt uns langsam!«, befahl er. »Szallo und ich sehen uns das an.«
Das Licht kam schnell näher. Geräusche waren zu vernehmen. Die beiden Techno-Spürer erreichten eine ausgedehnte Halle, deren Boden leicht abschüssig verlief und mit unzähligen Felstrümmern bedeckt war. Die Geräusche und der gelblich rote Lichtschein kamen aus einem Stollen, der in die gegenüberliegende Seite der Halle mündete.
Die beiden Späher hatten eben ein passendes Versteck gefunden, da kam aus dem Stollen eine große Schar Blinder hervor. Sie trugen Fackeln. Was sie damit wollten, war Vajlan völlig unklar. Umso mehr fesselte eine seltsame Gruppe an der Spitze des Zuges seine Aufmerksamkeit.
Es handelte sich um sechs Träger, die auf zwei parallelen Stangen eine Art Stuhl transportierten. In dem Stuhl saß – der Gastwirt! Neben sich hörte Vajlan ein erregtes Schnauben. Auch Szallo hatte den Gesuchten erkannt.
Die Schar bewegte sich bis zum Hintergrund der Halle. Die beiden Techno-Spürer hörten die Fackelträger miteinander reden. Sie diskutierten die Frage, ob der ehrwürdige Fremde wirklich die Macht besitze, die Geister zu bannen.
Der Zug hielt an. Im Schein der Fackeln sah Vajlan, dass der Gastwirt aus dem Tragestuhl stieg und sich mit fünf Begleitern vom Rest seines Gefolges entfernte. Wo das Ziel lag, konnte der Techno-Spürer nicht erkennen. Das Gelände schien dort wesentlich steiler abzufallen.
»Die Blinden fürchten sich vor den Geistern, die der Gastwirt bannen will«, raunte er Szallo zu. »Wir geben ihnen Geister, dass vor Schreck ihr Herz aussetzt! Postiert euch oben am Eingang der Halle. Drei Männer sollen ihre Lampen bereithalten. Stürmt auf mein Zeichen hin mit lautem Geschrei in die Halle. Dazu werden die Lampen auf volle Leuchtstärke hochgefahren. Ich rechne damit, dass die Blinden Hals über Kopf die Flucht ergreifen werden. Tut ihnen nichts an, wir haben mit ihnen nichts zu schaffen. Uns geht es nur um den Gastwirt. Sobald sein Gefolge geflohen ist, greifen wir ihn einfach und ziehen uns zurück.«
»Woher weißt du, dass er zurückkommen wird?«, fragte Szallo. »Hast du nicht gesehen, wie er sich entfernte?«
»Wenn er nicht zurückkehren wollte, warum stünden die Fackelträger dann noch dort, Dummkopf?«, grollte Vajlan. »Sieh zu, dass du die anderen so rasch wie möglich herbringst!«
Szallo huschte davon. Nach einer Viertelstunde kam er zurück. »Ochridon und die anderen warten oben am Halleneingang«, flüsterte er.
Vajlan zögerte einen Augenblick.
»Wir greifen sofort an!«, entschied er. »Gib das Zeichen!«
Im oberen Teil der Halle brach die Hölle los. Mit gellendem Geschrei stürmten die Techno-Spürer in den Felsendom. Drei sonnenhelle Lampen verbreiteten tagesgleiche Helligkeit. Die blinden Fackelträger waren einige Augenblicke lang starr vor Schreck. Dann warfen sie ihre Fackeln weg und stolperten davon.
Binnen Minuten war die Halle leer bis auf Vajlan und seine zwölf Streiter. Im Hintergrund der Halle tauchte schwankender Fackelschein aus einer trichterförmigen Stollenmündung auf.
»Näher rücken!«, gebot Vajlan. »Dort kommt der Gastwirt!«
»Sind es wirklich Geister?«, rief Signard ängstlich.
Umrisshaft sah Pankha-Skrin gegen das grelle Licht eine Gruppe von Gestalten. »Es sind Leute von der Oberwelt«, antwortete der Quellmeister. »Boronzots Kämpfer oder Techno-Spürer, vielleicht auch Frauen. Sie haben mit euch nichts im Sinn, sondern sind hinter mir her.«
Signard straffte sich. »Wir werden sie verjagen, Herr. Wir dulden nicht, dass dir ein Leid geschieht.«
Die restlichen Fackelträger hatten sich tapfer in der Nähe des ehrwürdigen Gastes gehalten, den sie beschützen sollten. Aber Pankha-Skrin sah ihnen an, dass sie sich fürchteten.
»Sie sind euch überlegen, Signard«, sagte der Quellmeister ruhig. »Ich erkenne sie jetzt, es
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