Silberband 107 - Murcons Vermächtnis
fand die Opfer des Massakers. Aus den Spuren ging hervor, dass es den Techno-Spürern, bevor der Letzte von ihnen fiel, noch gelungen war, ihre Roboter zu Hilfe zu rufen. Diese hatten unter den Angreifern aufgeräumt. Lediglich Boronzot hatte das Blutbad auf unerklärliche Art und Weise überstanden.
Der Gastwirt aber war verschwunden.
6.
Königin Garlotta war eine Frau, der jeder die Würde ihres Amtes ansah. Sie war groß und schlank und verstand es, ihr beträchtliches Alter durch jugendliche Kleidung, ein frisches Auftreten und körperliche Behändigkeit geschickt zu maskieren. Ihr silbergrüner Haarschopf fiel in atemberaubender Lockenfülle auf ihre Schultern. Ihre grauen Augen blickten wach und intelligent. Sie hatte eine scharf geschnittene Nase und glich in mancher Hinsicht dem Bild, das sich die Zaphooren von Irritt machten.
Garlotta hatte die Anführer von zwei Bruderschaften, einem Orden, drei Gewerk- und zwei Genossenschaften um sich versammelt. Sie hatte sie, obwohl sie bis vor Kurzem mit ihnen verfeindet gewesen war, zu sich gebeten, um die bedrohliche Lage mit ihnen zu besprechen. Keiner hatte die Einladung abgelehnt. Alle erkannten die jüngste Entwicklung als Gefahr. Und sosehr sie der Königin Garlotta in vergangenen Zeiten auch gram gewesen sein mochten, akzeptierten sie doch, dass Garlotta als Einzige mit Aussicht auf Erfolg gegen diese Gefahr antreten konnte.
Salsaparú nahm an dieser Besprechung teil. Sie war zu klug, um darin eine besondere Auszeichnung zu sehen. Bei diesem Zusammentreffen waren wichtige Entscheidungen zu treffen. Garlotta legte darauf Wert, dass sie aus erster Hand informiert wurde – das war alles.
»Es gibt zwei Dinge, die unsere Aufmerksamkeit erfordern«, erklärte die Königin. »Wir müssen verhindern, dass Boronzot den Sektor der Techno-Spürer in die Hand bekommt. Ich werde später von euch hören, wie viele Truppen ihr mir für die Besetzung und Verteidigung des Sektors zur Verfügung stellen könnt. Außerdem müssen wir den Gastwirt finden. Er ist seit dem Massaker in der Maschinenhalle spurlos verschwunden. Es wäre fatal, wenn er Boronzot in die Hände liefe!«
Salsaparú meldete sich zu Wort und erhielt von Garlotta eine zustimmende Geste.
»Ist es nicht denkbar, dass Boronzot den Gastwirt längst an sich gebracht hat und ihn verborgen hält?«
»Denkbar schon, aber nicht wahrscheinlich«, antwortete die Königin. »Der Ausgang der Schlacht in der Maschinenhalle muss für Boronzot wie ein Keulenschlag gekommen sein. Er ist sicher froh, dass er wenigstens die eigene Haut gerettet hat. Es blieb ihm nach meiner Ansicht keine Zeit mehr, den Gastwirt an sich zu bringen. Außerdem kennen wir Boronzot. Wenn er den Gastwirt hätte, würde er es laut hinausposaunen – nur um uns zu ärgern.«
Die Diskussion konzentrierte sich darauf, wie viele Truppen die einzelnen Organisationen zur Besetzung des Techno-Spürer-Sektors zur Verfügung stellen konnten.
Zum Schluss kam die Rede wieder auf den Gastwirt. Garlotta drängte darauf, dass jede Organisation die Grenzen ihres Bereichs scharf überwache und sofort Nachricht gebe, wenn der Fremde gesichtet wurde.
Salsaparú wandte sich an die Königin. »Inzwischen ist mir ein neuer Gedanke gekommen. Ich bitte um deine Erlaubnis, ihm nachgehen zu dürfen.«
»Kannst du in dieser Runde darüber sprechen?«, erkundigte sich die Königin.
»Warum nicht? Ihr habt mir vor kurzer Zeit ausgeredet, dass Boronzot den Gastwirt hat. Wenn er sich aber nicht im Bereich der Wahren Zaphooren befindet und außerdem meinen Turm nicht betreten hat, dann gibt es nur noch einen Ort, an dem wir nach ihm suchen können: den Sektor der Techno-Spürer. Ich möchte diese Suche selbst leiten.«
»Du hast meine Erlaubnis«, antwortete Garlotta gnädig.
Pankha-Skrins Marsch durch den Sektor der Techno-Spürer war wie eine Wanderung durch ein Märchenreich. Seinem geübten Blick entging nicht, dass die Technik der Zaphooren zwar gewaltig und vielseitig, aber ungeheuer alt war. Der Quellmeister sah seinen Verdacht bestätigt. Die Zaphooren hatten keineswegs ihre eigene Technik entwickelt, sie bedienten sich vielmehr Murcons Hinterlassenschaft. Die Ur-Zaphooren mochten raumfahrende Nomaden gewesen sein und etwas von intergalaktischer Astronautik verstanden haben. Ob sie ihre eigene Technik besessen, ihre eigene Forschung betrieben hatten, blieb dahingestellt. Aber selbst wenn es so gewesen wäre, musste es doch bald nach Murcons Tod oder
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