Silberband 107 - Murcons Vermächtnis
unverständlich, doch er spürte, dass sie von einem intelligenten Bewusstsein stammten. Ungläubig musterte er das Monstrum, das die Priester als Gottheit verehrten.
Hoch oben, zwischen den Schultern des Ungeheuers, hinter dem Haaransatz, erblickte der Quellmeister eine buckelartige Erhebung. Von ihr ging ein goldenes Leuchten aus, das sich deutlich von der schmutzig grauen Hautfarbe der brüllenden Bestie abhob. Pankha-Skrin hatte nicht viel Zeit, über seine Beobachtung nachzudenken; denn Kukelstuuhr bewegte sich mit dröhnenden Schritten auf die Opfer zu. In dem tobenden Lärm war kaum zu hören, dass die Priesteranwärter den Choral des Wohlgelingens angestimmt hatten.
Plötzlich stand der Humpelnde Tantha neben dem Quellmeister. »Siehst du die Kuppel auf dem Rücken des Ungeheuers?«, rief er dem Loower zu.
»Ich sehe sie!«
»Suchst du nicht nach etwas Besonderem? Hat es nicht den Anschein, als gehöre dieser Buckel nicht von Natur aus zu der Bestie?«
»Das mag sein«, gab Pankha-Skrin, ebenfalls sehr laut, zurück. »Aber worauf willst du hinaus?«
»Sieh die Beine des Monstrums!«, schrie der Humpelnde Tantha, um Kukelstuuhrs Gebrüll zu übertönen. »Wenn wir dort herankämen, wäre es ein Leichtes, dem Untier auf den Rücken zu klettern. Dort wären wir sicher, und du hättest deine …«
Ein wütendes Fauchen erklang, und ein blauweißer Blitz erhellte die mächtige Halle von einem Ende bis zum andern. Pankha-Skrin fuhr herum. Er sah, dass der Oberpriester mit seinem Gefolge hinter der Barriere hervorgeeilt war. Jeder der fünf trug einen Strahler. Sie mussten aus den Beständen der Techno-Spürer stammen, denn solche Waffen gab es sonst im Reich der Zaphooren nicht.
Awustor hatte seine Waffe abgefeuert. Der Energieschuss war dem Ungeheuer in den Schädel gefahren. Kukelstuuhr stieg auf den vier Hinterbeinen in die Höhe und schlug mit den Vordertatzen nach dem vermeintlichen Gegner. Der Schuss hatte die Bestie auf der Seite des Wulstes getroffen, aus dem der Schnabel hervorwuchs, und eine qualmende Wunde gerissen.
Pankha-Skrin erkannte, dass Awustor und seine Begleiter die Wirkung der Techno-Spürer-Waffen weit überschätzt hatten. Sie mochten erwartet haben, dem Ungeheuer mit wenigen Strahlschüssen den Garaus zu machen. Awustor stand da, als rechne er mit dem Sturz der Bestie schon nach dem ersten Treffer. Der Quellmeister aber war überzeugt, dass es mehrerer Dutzend Wunden wie dieser bedurfte. Der überraschende Angriff Awustors und seiner Begleiter hielt Kukelstuuhr vorläufig nur davon ab, die Opfer zu verschlingen.
Pankha-Skrin wandte sich hastig noch einmal an den Dreiäugigen, zu dem er schon gesprochen hatte. »Siehst du, was ich meine?«, schrie er den Zaphooren an. »Seht zu, wie das weitergeht, und macht euch auf die Beine, sobald es an der Zeit ist!«
Einer von Awustors Begleitern hatte inzwischen einen zweiten Schuss abgefeuert. Die Halle bebte von dem Wut- und Schmerzgebrüll des Ungeheuers. Zusammen mit dem Humpelnden Tantha eilte der Quellmeister auf die Bestie zu. Kukelstuuhr achtete nur noch auf die winzigen Gestalten, von denen die grellen Lichtblitze ausgingen, die ihm diese Pein bereiteten.
Unbemerkt erreichten Pankha-Skrin und der Humpelnde das linke Vorderbein des Monstrums. In dieser Sekunde erhielt Kukelstuuhr den dritten Treffer. Der Koloss zuckte zusammen. Die Muskeln an den Beinen kontrahierten und traten wie breite Felsbänder zum Vorschein.
»Dort hinauf!«, drängte der Humpelnde Tantha. »Halt dich gut fest! Es sieht so aus, als würde es eine Menge Erschütterungen geben!«
»Komm mit!«, forderte der Quellmeister. »Hier unten bist du in Gefahr!«
»Ich komme, sobald ich dich in Sicherheit weiß!«, stieß der Humpelnde hastig hervor. »Rauf jetzt – sonst ist es zu spät!«
Die großporige Haut des Ungeheuers bot Pankha-Skrins Tentakeln sehr viel Halt. Er kam mühelos voran. Sobald Awustors Priester wieder einen Schuss abfeuerten, zuckten konvulsivische Erschütterungen durch den mächtigen Körper. Aber der Quellmeister verlor den Halt nicht. Griff um Griff kämpfte er sich an dem riesigen Leib empor. Er erreichte den Rumpf des Ungeheuers und stieß auch dort auf kein unüberwindliches Hindernis. Er näherte sich dem Gebilde auf Kukelstuuhrs Rücken, das ihm die Mentalimpulse schickte.
Die Kukelstuuhr-Priester, zunächst starr vor Schreck über den Frevel des eigenen Oberpriesters, begriffen allmählich, dass Kräfte am Werke waren, die auf
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