Silberband 107 - Murcons Vermächtnis
Arqualov veranlasst hatte, diesen Termin zu wählen, aber bisher wusste er von seinem Glück nichts.
Sie gelangten kurze Zeit später ins Innere des zeltähnlichen Gebäudes, in dem der Oberpriester Xummacron mit seinem Stab von sieben Mitarbeitern hauste. Die Geister gaben ihre Anwesenheit durch nichts zu erkennen. Sie belauschten Xummacrons Gespräche mit seinem Stab und erfuhren, dass die Opferfeier am nächsten Tag stattfinden sollte. Arqualov hielt es für ausgesprochen glücklich, dass er seinen Vorstoß gerade zu dieser Zeit unternommen hatte.
Er wartete mit seinen Gefährten, bis die Pause der Ruhe begann, dann schlugen sie zu.
Arqualov hatte sich den Oberpriester Xummacron vorgenommen. Aber dieser war alt. Als der Geist der Vergangenheit in seiner Schlafkammer erschien, gab sein Herz auf – weitaus rascher, als Arqualov erwartet hatte. Mit einem Toten konnte er nichts anfangen. Die Verpflanzung seines Bewusstseins in den Körper eines anderen musste in dem Augenblick erfolgen, in dem der Körper sich anschickte, in den Todesschlaf zu versinken, nicht eine Zehntelsekunde später.
Arqualov hatte mit dieser Möglichkeit gerechnet und nahm sich ohne Zögern sein zweites Opfer vor, einen Priester namens Awustor, den er im Verlauf der Unterhaltungen als tatkräftig und intelligent erkannt hatte und der infolge seiner Mutation auf einem Auge blind war.
Awustor lieferte ihm einen heroischen Kampf. Er war bereits einmal einem Geist der Vergangenheit begegnet und wollte bei einer zweiten Begegnung mehr Tapferkeit an den Tag legen. Er feuerte Waffen ab, die er aus dem Arsenal der Techno-Spürer erworben hatte. Aber letztlich unterlag er der seelischen Qual. Unmittelbar bevor sein Gehirn den Dienst versagte, schlüpfte Arqualovs Bewusstsein in den Körper des Priesters, der von nun an die Rolle des Oberpriesters spielen musste.
Parlukhian, Sinqualor, Lauridian und Tanniserp waren bei ihrem Vorstoß keinen Schwierigkeiten begegnet. Übrig blieben zwei Priester aus Xummacrons Stab, die angesichts des Lärms und der Aufregung nicht wussten, wie ihnen geschah. Sie wurden mühelos beseitigt. Das war nötig. Arqualov musste sich bei seinem gefährlichen Vorhaben den Rücken freihalten.
Am Tag der großen Opferfeier kam es zu anfänglichen Schwierigkeiten, weil keiner der fünf Geister wusste, wie das Zeremoniell ablaufen sollte. Zweifel und Misstrauen der anderen wurden durch die Autorität des Oberpriesters zerschlagen – wobei es nahezu unerheblich war, dass der Name des Oberpriesters auf einmal nicht mehr Xummacron, sondern Awustor lautete.
Niemand wusste, was aus den Bewusstseinen der fünf Priester geworden war. Würden sie, wie bisher die Geister der Vergangenheit, Murcons Burg durchstreifen und sich am Jammer ihrer Bewohner laben? Oder hatte sie, als sie ihrer Körper beraubt wurden, der Tod ereilt?
Niemand kümmerte sich darum. Es war nicht wichtig. Wichtig war allein die bevorstehende Begegnung mit Kukelstuuhr.
Als der Gesang der Erhabenheit die dritte Strophe erreichte, erhob sich das donnernde Getöse jenseits des Felsspalts erneut. Es wurde so gewaltig, dass der Felsstaub von den Wänden rieselte. Hatte das Ungeheuer mit seinem ersten Knurren angedeutet, dass es aus seinem Schlaf erwacht sei, so ließ es nun wissen, dass es Hunger empfand.
Pankha-Skrin wandte den Blick nicht mehr von der der turmhohen Öffnung ab. In der Finsternis, die den Spalt erfüllte, sah er schattenhafte Bewegungen. Urplötzlich materialisierte aus der Dunkelheit ein gigantischer Schädel. Mehrere Hörner, jedes an seiner Wurzel so stark wie ein Baum, ragten aus der Schädeldecke durch den Spalt. Ein riesiger Rachen entblößte Reihen spitzer Zähne und verströmte einen Gestank, dessen Wirkung selbst Pankha-Skrin wahrnahm. Glühende riesige Augen spähten aus der Dunkelheit in die Arena.
Mit einem ohrenbetäubenden Gebrüll und einem Satz, den niemand dieser gewaltigen Körpermasse zugetraut hätte, sprang das Ungeheuer in die Halle. Sechs krallenbewehrte Tatzen, jede groß genug, um mehrere Männer gleichzeitig zu zerquetschen, schlugen dröhnend in den felsigen Boden. Ein mörderischer Schnabel hackte in Richtung der von Panik erfüllten Opfer, die wie erstarrt in der Mitte der Halle verharrten.
In diesem Moment machte Pankha-Skrin eine überraschende Wahrnehmung. Der entelechische Teil seines Bewusstseins spürte intensive Gedankenimpulse, die aus der Richtung des Ungeheuers zu kommen schienen. Sie blieben ihm
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