Silberband 117 - Duell der Erbfeinde
gefährlich.«
Thezein konnte sich nicht vorstellen, dass der Bürger diese Worte ernst meinte. Er starrte misstrauisch in das kaum erkennbare Gesicht des Blühenden.
»Das ist sehr freundlich von dir«, murmelte er schließlich. »Aber du brauchst deine wertvolle Zeit wirklich nicht meinetwegen zu verschwenden. Ich bin schon sehr lange Zeit ein Spaltling, und ich habe gelernt, auf mich aufzupassen. Diese Anlage scheint mir sehr geordnet zu sein – es ist wohl kaum möglich, sich darin zu verirren.«
»Täusche dich nicht«, warnte Falreyl freundlich. »Warum willst du meine Hilfe nicht annehmen? Bin ich dir unsympathisch?«
Thezein zuckte zusammen und wich wie unter einem Zwang vor Falreyl zurück. »Was willst du von mir?«, fragte er.
»Ist das nicht längst klar?«, erkundigte sich der Bürger. »Ich sagte es dir schon, bevor der Hunger dich überwältigte: Ich möchte mich mit dir verschmelzen!«
Thezein spürte eine Wand hinter sich und sah sich verzweifelt um. Jetzt war ihm endgültig klar, dass dieser Blühende den Verstand verloren hatte.
»Wir können gar nicht verschmelzen«, stieß er hervor und schob sich an der Wand entlang weiter. »Du bist ein Blühender, ich stamme von der Ebene der Schnellfüßigen. Unsere Komponenten passen nicht zusammen.«
»Das stört mich nicht«, versicherte Falreyl. »Wir haben diesen Dingen ohnehin zu viel Gewicht beigemessen. Unsere stofflichen Hüllen sind nur Ballast. Mir kommt es allein auf dich selbst an, Thezein. Dein Bewusstsein scheint sehr wertvoll zu sein.«
»Ich bin nur ein Spaltling. Kein Bürger verschmilzt sich mit einem von uns.«
»Beim Licht von Art'Yschall«, sagte der Blühende verdutzt. »Ich dachte, diese Vorurteile hättest du überwunden. Wie kommt es, dass es bei dir so lange dauert?«
»Was soll bei mir lange dauern?«, fragte Thezein, der allmählich überhaupt nichts mehr verstand.
Falreyl antwortete nicht. Er schien angestrengt zu überlegen. Nach einiger Zeit hob er einen schemenhaft erkennbaren, von bunten Blüten bedeckten Arm und deutete den Gang hinunter. »Nimm dir ein Beispiel an diesem Spaltling dort«, empfahl er.
Thezein blickte in die angegebene Richtung und schloss die Augen. Der Anblick, der sich ihm bot, war fast unerträglich.
»Das ist unglaublich«, stammelte er. »Wie können sie es wagen ...? Gibt es nicht genug Räume in diesem Gebilde, das uns Art'Yschall ersetzen soll? Oder hatten diese Schamlosen es so eilig, dass sie sich nicht einmal mehr zurückziehen wollten?«
»Du bist wirklich drollig«, bemerkte Falreyl konsterniert. »Worüber regst du dich auf? Sie verschmelzen sich nur. Sie tragen dazu bei, die Biomasse unserer großen Gemeinschaft weiter zu verringern und uns der Vollendung ein Stück näher zu bringen. Diese beiden sind mit Recht stolz auf das Werk, das sie vollbringen.«
Thezein wäre am liebsten davongelaufen. Aber nach der einen Richtung versperrte Falreyl ihm den Weg, in der anderen hätte er direkt an den Verschmelzenden vorbeigemusst.
Die Verschmelzung war das genaue Gegenteil der Fortpflanzung. Zwei Bürger ließen ihre Körper zu einer gemeinsamen Hülle zusammenfließen, die sie von da an gemeinsam bewohnten. Die meisten Bürger bestanden aus mehr als fünfhundert Bewusstseinen, die sich im gemeinsamen Körper verankert hatten. Damit die Bürger durch diesen Vorgang nicht stetig plumper wurden, reduzierten sie den Körper bei jeder Verschmelzung auf den normalen Umfang.
Thezein hatte nur seine allererste Verschmelzung bewusst erlebt und später die Kontrolle derartiger Vorgänge seinen Mitbewusstseinen überlassen. Er war auch nie zuvor Augenzeuge einer solchen Vereinigung geworden. Jetzt begriff er, warum es in Art'Yschall verpönt war, sich in diesem Zustand in aller Öffentlichkeit zu zeigen. Nur die bedauernswerten Träger von Spaltkomponenten durften sich in teilweise verschmolzenem Zustand frei bewegen und nach ergänzenden Teilen suchen, aus denen sie einen Spaltlingskörper zusammensetzen konnten. Bei diesen Bürgern war der Vorgang dafür aber auch zum Stillstand gekommen, sodass sie nicht gar so abschreckend aussahen. Der fremde Spaltling und der Bürger undefinierbarer Herkunft jedoch, die sich hier zusammengefunden hatten, waren in voller Aktion. Jedenfalls schien es Thezein im ersten Moment so, und erst als er den Schock ein wenig überwunden hatte, erkannte er, dass etwas bei dieser Verschmelzung nicht mit rechten Dingen zuging. Weder die Gestalt noch die
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