Silberband 120 – Die Cyber-Brutzellen
schließlich. »Notfalls können wir uns einige Tage lang von Früchten ernähren, und Wasser gibt es ausreichend, wenn auch nicht das sauberste. Unsere Verfolger haben uns überholt, das wissen wir seit den Energieentladungen vor Einbruch der Dunkelheit. Es muss ein erbitterter Kampf stattgefunden haben, wahrscheinlich mit den Kriegern eines Kopfjägerstamms. Was seitdem geschehen ist, wissen wir natürlich nicht.«
»Wir gehen davon aus, dass die Verfolger weiterhin Jagd auf uns machen«, warf Scoutie ein. »Wir sind trotzdem im Vorteil, denn sie befinden sich zweifellos vor uns, egal ob auf dieser oder der anderen Seite des Flusses. Sobald wir sie aufgespürt haben, können wir ihnen folgen und ...«
»... müssen sie dann umbringen«, unterbrach Surfo Mallagan bedrückt. »Mit unseren primitiven Waffen haben wir gar keine andere Wahl.«
»Sie wollen uns ebenso töten!«, erinnerte Faddon heftig. »Wir handeln nur in Notwehr.«
»Es gefällt mir trotzdem nicht.«
»Mir ebenso wenig«, sagte Scoutie. »Aber wenn wir die SOL finden wollen ...«
»So können wir nicht handeln«, widersprach Mallagan. »Schließlich führen unsere Verfolger nur den Befehl aus, drei womöglich mit der Spoodie-Seuche Infizierte zu eliminieren. Aus Sicht des Flottenkommandos dürfte das Notwehr sein.«
»Dann können wir ja in Notwehr Selbstmord begehen.« Faddon reagierte äußerst sarkastisch.
»Du fällst von einem Extrem ins andere, Brether«, mahnte ihn Mallagan. »Damit hilfst du uns nicht weiter und dir ebenso wenig.«
Erst am vierten Tag nach der Flussüberquerung im Sturm, neunzehn Tage nach dem Aufbruch aus dem Tal der Königsblüten, fanden sie die Spur ihrer Verfolger. Das war am Fuß eines Vorgebirges, hinter dem sie bereits die Gipfel jenes Gebirgszugs im Dunst schwimmen sahen, der das letzte Hindernis auf dem Wege zum Wrack der SOL war.
»Hier sind sie aus dem Fluss gekommen.« Scoutie deutete mit dem Speer auf eine Sandbank, durch die sich vom Fluss aus deutlich sichtbare Fußspuren zogen. Sie führten weiter durch Steppengras.
»Das sieht aus, als wäre hier eine Hundertschaft marschiert«, kommentierte Surfo Mallagan. »Wir hätten zumindest die Spuren im Sand beseitigt.«
»Die im Gras kann niemand völlig verwischen.« Faddon bückte sich und fuhr mit der Hand über die Halme hinweg; einige waren geknickt und bereits leicht verblasst.
»Vor eineinhalb Tagen, schätze ich«, sagte Scoutie.
»Wir können also zügig gehen, solange die Spur nicht frischer wird.« Mallagan blickte nachdenklich zu der Hügellandschaft des Vorgebirges. »Irgendwo dort werden sie auf uns warten.«
»Warum?«, fragte Faddon. »Wie können sie sicher sein, dass wir auf dieser Seite des Flusses kommen?«
»Das können sie nicht«, antwortete Scoutie. »Aber sie sind lange genug auf der anderen Seite gegangen und wissen deshalb, dass wir uns dort nicht vor ihnen befinden. Als sie herüberkamen, überzeugten sie sich davon, dass wir auch hier nicht schon vorbeigekommen waren.« Sie deutete auf die in weitem Bogen vom Fluss wegführende Spur. »Sie haben gesucht und nichts von uns gefunden. Danach werden sie wieder näher am Fluss gegangen sein. Von einem der nächsten Hügel aus können sie wegen der niedrigen Vegetation das Gelände beidseits des Wassers kontrollieren. Wir brauchen also gar nicht erst zu versuchen, uns auf der anderen Seite davonzustehlen.«
Sie zuckten zusammen, als eine Serie gedämpfter Geräusche zu hören war, wie sie bei der Zielentladung vieler Hochenergieschüsse entstanden. Schweigend lauschten sie, weil mehrmals noch einzelne Entladungen zu hören waren.
»Entfernung zehn bis fünfzehn Kilometer«, schätzte Scoutie. »Das bedeutet, dass sie von hier aus höchstens einen halben Tagesmarsch zurückgelegt haben.«
»Sie können nicht endlos weitergehen«, sagte Faddon. »Vielleicht wissen sie, dass wir nach der SOL suchen, aber bestimmt nicht, wo das Schiff liegt. Wir könnten plötzlich von der Route abweichen und verschwinden.«
Da der Abend dämmerte, beschlossen sie, auf der Sandbank zu übernachten. Scoutie und Surfo wateten in den Fluss, der hier nicht tiefer als drei Meter war, und harpunierten mit ihren Pfeilen Fische, die sie über einem Feuer aus zundertrockenem Gras und dürren Zweigen brieten. Dass ihre Verfolger bei genügend Aufmerksamkeit die dünne Rauchfahne bemerken würden, störte die Betschiden nicht.
Die Nacht verlief ohne Störung. Am frühen Morgen brachen die drei wieder
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