Silberband 120 – Die Cyber-Brutzellen
nicht davor zurück, jemanden zu töten, der ihm im Weg stand. Vor Lloyd hatte der Springer zu viel Respekt. Er wusste, dass es tödlich für ihn und seine Sippe sein würde, sich mit dem Mutanten anzulegen. Daher beugte er sich lieber und hoffte, ungeschoren davonzukommen.
»Ich gebe es zu.« Xingar war merklich blass geworden. »Wir haben Tosen an Bord aufgespürt und paralysiert.«
»Führe mich zu ihm!«, verlangte Lloyd.
Als er Minuten später vor Bruke Tosen stand, der in einer kahlen Kabine auf dem Boden lag, erkannte er, dass der Mann nicht nur bewegungsunfähig war, sondern bewusstlos. Es war unmöglich, dem Kontrolleur bestimmte Gedankengänge zu entlocken.
»Das ist schlecht«, sagte Vern besorgt. »Vermutlich hat er eine Zeitbombe verborgen. Wir müssen wissen, wo sie liegt und wie wir sie entschärfen können.«
Ratlos blickten der Hanse-Spezialist und der Patriarch einander an.
»Ich erfasse die Gedanken einer Frau – sie hat schreckliche Angst davor, sterben zu müssen«, sagte Lloyd.
Verzweifelt versuchte Sintha-Lee, sich von den Fesseln zu befreien, die Tosen ihr angelegt hatte. Sie begriff, dass sie zu weit gegangen war. Für Xingar hatte sie stets alles getan, ohne darüber nachzudenken.
Sie blickte auf die digitale Anzeige an einem der Koffer. Was die Ziffern bedeuteten, wusste sie leider zu gut. Der Zeitzünder lief rasend schnell ab. Bis zur Explosion fehlten nur wenige Minuten.
Bruke Tosen musste wahnsinnig geworden sein. Der Sprengstoff reichte zweifellos aus, nicht nur das Flaggschiff der XIN-Sippe zu atomisieren, sondern die nahe Stadt ebenso. Die Koffer genügten dafür nicht, aber ihre Explosion würde eine Kettenreaktion auslösen. Allein die Energie der großen Speicherbänke würde ausreichen, um die nahe Stadt dem Erdboden gleichzumachen.
Sintha-Lee dachte weniger an die Ahnungslosen in Jarvon als an sich selbst. Panik stieg in ihr auf, und nur der Knebel hinderte sie daran, gellend zu schreien.
Schritte näherten sich. In ihrer Verzweiflung versuchte sie, irgendwie auf sich aufmerksam zu machen, doch da glitt das Türschott schon zur Seite. Ein Terraner blickte sie an.
Verzweifelt zeigte Sintha-Lee mit dem Kopf auf den Zeitzünder. Noch vierundvierzig Standardsekunden ...
Der untersetzte Mann kniete neben dem Zünder nieder. Mehr sah Sintha-Lee nicht, denn Xingar und einige Männer zerrten sie hoch und trugen sie aus dem Raum. Sie sträubte sich. Weil sie wusste, dass sie einige hundert Kilometer weit hätte fliegen müssen, um in Sicherheit zu sein. Ein paar Schritte halfen nicht. Sie wollte sehen, wie der fremde Terraner die Gefahr beseitigte. Nur dann konnte sie sich von ihrer Angst befreien.
Xingar nahm ihr den Knebel ab.
»Lasst mich los!«, schrie Sintha-Lee ihn an. »Es ist sinnlos, wegzulaufen.«
Überraschend kam der Terraner auf sie zu. »Ein Glück, dass du in Panik geraten bist«, sagte er. »Andernfalls hätten wir es nicht rechtzeitig geschafft. Es ist vorbei.«
Der Mann – sie fragte sich, wieso er von ihrer Panik wissen konnte – wandte sich an Xingar. »Wir gehen jetzt von Bord, und Bruke Tosen nehmen wir mit«, sagte er.
Der Importkontrolleur schaute sich verwirrt um. Er befand sich in einem behaglich eingerichteten Raum. Durch die wandhohen Fenster konnte er das Meer sehen.
Er entsann sich nicht, wie er hierhergekommen war. Eigentlich erinnerte er sich nur, dass er den Springern in die Arme gelaufen war.
Gruude Vern und ein dunkelhaariger Mann kamen. »Du kennst mich. Ich arbeite für die Kosmische Hanse«, eröffnete Vern. »Wer mein Begleiter ist, wirst du möglicherweise schon erkannt haben: Fellmer Lloyd, der Telepath. Du bist hier, weil wir von dir mehr über deinen Auftrag wissen möchten.«
Tosen blickte den Terraner verständnislos an. »Auftrag?«, fragte er.
»Wir wissen, dass du Agent einer feindlichen Macht bist. Diese Macht hat dich aktiviert und dich dazu veranlasst, verschiedene Anschläge zu organisieren.«
»Aber das ist alles Quatsch.« Tosen schüttelte hilflos den Kopf. »Ich und ein Agent? Unsinn. Was für Anschläge soll ich verübt haben?«
Fellmer Lloyd ließ sich enttäuscht seufzend in einen Sessel sinken. Der Importkontrolleur wusste nichts. Er erinnerte sich auch nicht, was er in den letzten Tagen getan hatte, und er empfand es als lächerlich, dass Vern ihn verdächtigte, ein Agent zu sein.
»Ich stand offenbar unter dem Einfluss verschiedener Giftstoffe«, erläuterte Tosen. »An Xingar wollte ich
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