Silberband 120 – Die Cyber-Brutzellen
Gore krauste unwillig die Stirn, als ihr die Stewardess der XANADU mitteilte, jemand sei in der Bar und möchte mit ihr sprechen. Sie dachte sofort an Gernon Egk, und sie verspürte nicht die geringste Lust, sich mit ihm zu unterhalten.
»Sag ihm, dass ich keine Zeit habe«, bat sie.
»Es ist eine Frau«, erläuterte die Stewardess.
»Also gut. Ich komme.«
Gore hatte die Frau nie zuvor gesehen. Reserviert begrüßte sie die Besucherin. »Ich bin May McIntire von Terrania Press«, stellte diese sich vor. »Wir haben erfahren, dass du eine Aufzeichnung von Icho Tolot gemacht hast.«
»Das habe ich.« Angela Gore erkannte noch immer nicht, was die Frau von ihr wollte.
»Du bist die Einzige, die so was anbieten kann«, erläuterte May McIntire. »Keiner der eingesetzten Profis hat einen vollständigen Bericht. Ich hoffe, wir können ins Geschäft kommen.«
Sie nannte eine Summe als Preis für den Film, die selbst Angela Gore aufhorchen ließ. Angela war wohlhabend und hatte keine finanziellen Sorgen. Das schien die Pressevertreterin zu wissen. Nur so war ihr großzügiges Angebot zu erklären. Angela sah keinen Grund, es nicht anzunehmen. »Ich möchte aber eine Kopie behalten«, bat sie sich aus. »Schließlich habe ich die Aufzeichnung für mich gemacht.«
»Dagegen ist nichts einzuwenden, wenn wir die Exklusivrechte bekommen.«
Minuten später waren sie sich einig, und die Kreuzfahrtreisende hatte ein glänzendes Geschäft gemacht.
Etwa zur gleichen Zeit saßen Merlin Sanders und Addison Uptigrove dem Kunstagenten Robert Archibald gegenüber.
»Wir sind mitten in der Verhandlung.« Der schwergewichtige Agent schnaufte empört. »Ich verstehe nicht, wie ihr in einer solchen Situation mit finanziellen Forderungen kommen könnt.«
»Weil wir den Schaden haben«, versetzte Merlin kühl.
»Den Schaden?« Archibald schüttelte in gut gespielter Verzweiflung den Kopf. »Und wer spricht von mir? Ich bin nahezu ruiniert und kann wieder ganz von vorn anfangen.«
»Du bist versichert«, stellte Uptigrove schüchtern fest. »Wir nicht.«
»Das ist nicht meine Schuld. Also, ich habe noch zu tun. Lasst mich allein.«
»Wir haben bislang gar nicht über die Entschädigung gesprochen«, erinnerte ihn Merlin.
Archibald blickte sie erstaunt an. Dann schüttelte er den Kopf, als habe sie etwas Ungehöriges gesagt. »Es gibt keine Entschädigung. Perry Rhodan und die Kosmische Hanse zahlen nicht. Sie sind eiskalt und brutal in den Verhandlungen, das könnt ihr euch überhaupt nicht vorstellen.«
»Keine Entschädigung?«, fragte sie betroffen.
»Vielleicht gebe ich euch noch einmal die Chance, an einer Ausstellung teilzunehmen, falls ich so etwas jemals wieder mache.«
Bruke Tosen näherte sich währenddessen demjenigen, der die Schäden angerichtet hatte. Er handelte, ohne nachzudenken, und mit traumwandlerischer Sicherheit. Mühelos drang er in die Klinik für extraterrestrische Medizin ein. Er wählte nicht den Weg durch den Haupteingang, weil er fürchtete, dort gesehen zu werden, sondern ging abermals durch ein Versorgungstor, durch das alles benötigte Material für die Klinik geliefert wurde.
Niemand hatte Tosen gesagt, wo Icho Tolot lag, trotzdem wusste er es. Über einen langen Gang näherte er sich den Nottreppen, die nach oben führten. Da fiel sein Blick auf ein Schild mit der Aufschrift Arzneimitteldepot. Er stutzte. Das Wort Depot klang in ihm nach. Irgendwo hatte er diesen Begriff in einem anderen für ihn besonders wichtigen Zusammenhang gehört, nur wusste er momentan nichts damit anzufangen.
Einer spontanen Idee folgend, hielt er Requareds Identifikationskarte über das Schloss. Die Tür öffnete sich, Licht flammte auf. Tosen betrat das Depot und schloss die Tür hinter sich. Da das Licht weiterhin brannte, wusste er, dass sich vorher niemand hier aufgehalten hatte.
Dieses Mal kam er nicht so zügig voran. Er hatte erhebliche Mühe, sich im Depot zu orientieren, und brauchte fast eine Stunde, bis er das Gesuchte gefunden hatte. Danach schob er zwei Hochdruckspritzen in die Taschen seines Kittels. Eine enthielt ein betäubendes Mittel, die andere einen Mobilisator, der auf den halutischen Metabolismus eingestellt war. Derart ausgerüstet, verließ er das Depot.
Zwei Schwestern kamen ihm entgegen. Er schob die Atemschutzmaske vor den Mund und ging an ihnen vorbei. Sie plauderten lachend miteinander und beachteten ihn nicht. Erst als sie an ihm vorbei waren, drehte sich eine der Frauen um
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