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Silberfieber

Silberfieber

Titel: Silberfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wuehrmann
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oder Deutschland schätze ich, ich finde, alle Touristen sollten ein Warnschild um den Hals tragen. Sie sind eine der größten Gefahren im Straßenverkehr. Sie sind nicht an den Linksverkehr gewöhnt und schauen beim Überqueren der Straße immer zuerst in die falsche Richtung. Das hast du heute Morgen auch getan. Ich habe aber nicht damit gerechnet, dass du mit so einem Tempo durchstarten würdest.«
    »Stimmt schon, es war mein Fehler, ich war … ich meine, ich hatte es wirklich eilig«, versuchte er zu erklären.
    »Das sah eher aus wie auf der Flucht«, sagte sie. »Kann ich dich jetzt irgendwo hinbringen? Wenn du den Quiz-Cabs-Service in Anspruch nehmen willst, berechnen wir pauschal zehn Pfund extra. Du gibst mir mindestens drei Stichworte, und ich erzähle dir, was ich dazu weiß. Es gibt keine Garantie für die Richtigkeit, der Service ist die Information, keine Preisverhandlungen und kein Geld zurück, alles verstanden?«
    Frank hatte verstanden, auch wenn er nur mit einem Ohr zugehört hatte, da er noch immer in den Anblick ihrer Hände vertieft war. Als er sie jetzt das mächtige Lenkrad drehen sah, fiel ihm wieder ein, weshalb er eigentlich in das Taxi gestiegen war.
    »Ja klar, fahr Richtung Bloomsbury zur Universität, ich komme übrigens aus Hamburg. Aber das war noch nicht das Stichwort.«
    Der Witz war ihm komplett misslungen. Doch als höfliche Engländerin sah seine Taxifahrerin glücklicherweise darüber hinweg.
    »Und welches ist das Stichwort? Es ist sowieso besser, wenn es mehrere sind. Du bist bestimmt Student, du kennst das System: Je mehr Infos du mir gibst, desto besser und genauer sind die Auskünfte.«
    »Ja, also ich dachte an …«, Frank versuchte, sich verzweifelt daran zu erinnern, was er mit Peter vor ein paar Minuten besprochen hatte. Zum ersten Mal seit Tagen hatte er nicht mehr an die Landkarte gedacht.
    Dann fiel ihm alles wieder ein. »Ich nehme Schiff, Atlantik und 1912.«
    »Schiff, Atlantik und 1912, du meinst die Jahreszahl, ja?«, fragte seine Fahrerin, während sie das schwerfällige Taxi wendete, sodass sie auf der Marylebone Road in Richtung Bloomsbury hinunterfuhren.
    »Stimmt, 1912, kannst du was damit anfangen?«
    »Aber klar doch, geht sofort los.«
    Wie eine Märchenerzählerin, die abwartete, bis all ihre Zuhörer ihr aufmerksam folgten, lenkte sie das Taxi zuerst in die linke Geradeausspur, verringerte dann die Geschwindigkeit und vergewisserte sich mit einem Blick in den Rückspiegel, dass Frank auch nicht aus dem Fenster sah und sich von den Sehenswürdigkeiten Londons ablenken ließ. Sie nahm den Kaugummi aus dem Mund, klebte ihn hinter die Sichtblende über der Windschutzscheibe und begann:
    »Im Frühjahr des Jahres 1912 schifften sich 16 Spieler des Fußballvereins Club Atletico Boca Juniors in Buenos Aires auf dem Dampfer Hermosa ein, um eine Reise nach Europa zu unternehmen. In Europa sollten sie eine dreimonatige Rundtour durch Spanien, Frankreich und Deutschland machen, während der sie gegen die besten Fußballklubs Europas spielen würden. Es war die erste Überseereise eines Fußballvereins überhaupt, und nach einer dreiwöchigen Atlantiküberfahrt, auf der sie wegen Platzmangel nur wenig trainieren konnten, erreichten sie endlich Spanien. Obwohl sie die anstrengende Reise noch in den Knochen hatten, und die meisten von ihnen zudem noch seekrank waren, traten sie trotzdem gleich am nächsten Tag gegen das Team von Atletico Bilbao an und gewannen 3:1. In der folgenden Zeit spielten sie gegen zwanzig europäische Mannschaften, darunter die heute so berühmten Clubs wie Real Madrid, FC Barcelona und das Team von FC Bayern München, gegen das sie ihre beste Vorstellung gaben und 7:0 gewannen. Da sie sich bei der finanziellen Planung stark verkalkuliert hatten, war das Reisebudget leider schnell erschöpft, sodass sie zuletzt darauf angewiesen waren, von ihren Gastgebern Hotel- und Essenseinladungen anzunehmen. Doch die unerwarteten Ausgaben bereiteten den gastgebenden Vereinen keinerlei Probleme, weil Tausende von Menschen in die Stadien Europas strömten, um die argentinischen Ballzauberer zu bewundern. Als sie nach der langen Rückreise mit dem Schiff wieder in den Hafen von Buenos Aires einliefen, wurden sie von einer riesigen Menschenmenge jubelnd begrüßt. Die Menschen daheim hatten all ihre Auftritte in Europa an den Radios mitverfolgt, und die sechzehn Spieler wurden von den begeisterten Leuten auf den Händen durch die ganze Stadt bis in den

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