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Silberfischchen

Titel: Silberfischchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger-Maria Mahlke
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Er zögerte, im Bad Stille, kein Wasser zu hören, nichts zu hören.
     Der Reißverschluss schnurrte leise, das Metall kühl zwischen seinen Fingern. Wäsche. Das schwarze T-Shirt obenauf, eine zerknüllte
     Unterhose, er schob beides zur Seite, darauf achtgebend, dass er die Hose nicht berührte. Ein Paar Tennissocken, ein schwarzer
     BH, keine Bilder. Er stand auf, ließ alles liegen, das Kopfkissen auf der Erde, die Tasche offen, den Schirm auf dem Couchtisch,
     dort, wo die Bilder gelegen hatten.
    Der Schuber war noch offen, die Lade herausgezogen, er legte die Bilder zurück, schob die Lade mit dem Schienbein zu. Tat
     das Messer in die Spüle, es hatte auf dem Boden gelegen, es musste abgewaschen werden.
     
    |99| Er wartete im Schlafzimmer, bis er meinte, die Badezimmertür zu hören, wartete still an die Tür gelehnt, der Bademantel fest
     verknotet, sein Kulturbeutel unter den Ellbogen geklemmt. Er hatte versucht, die Haare mit den Fingern nach hinten zu streichen,
     im Schlafzimmer hing kein Spiegel.
    Auf der Türschwelle hielt er inne, die Badezimmertür stand einen Spalt offen, das Licht war aus.
    Ihre Haare waren noch nass, als er ins Wohnzimmer kam, sie saß auf der Kante der Couch, die blaue Tasche offen vor ihr auf
     dem Tisch. Die Bettwäsche hatte sie zusammengelegt, sie lag ordentlich gestapelt auf der Armlehne, das Kopfkissen obenauf.
    »Wo wollen Sie frühstücken?« Sie sah kurz auf, wünschte ihm keinen guten Morgen, fragte nicht, wie es ihm ginge.
    »Küche«, antwortete er, »haben Sie das Fenster aufgemacht?«
    Sie nickte stumm.
    Beißend kalt war es im Bad, er wartete einen Moment, nachdem er das Fenster geschlossen hatte, setzte sich auf den Toilettendeckel
     und zog den Bademantelkragen enger zusammen. Der Wannenabfluss glänzte silbrig, keine Haare, keine Seifenspuren. Er könnte
     die Heizung aufdrehen, ein wenig nur. Er ließ es bleiben, die Rohre knackten, wenn sie warm wurden, wären auch im Wohnzimmer
     zu hören.
    Den Kulturbeutel hatte er ins Waschbecken gelegt. Der Hahn war nicht fest genug zugedreht, langsam lief ein Wassertropfen
     am grün verkrusteten Sieb zusammen. Er sah zu, wie der Tropfen voller wurde, wie er |100| den Halt verlor und auf dem Beutel aufschlug. Sie hatte geschnüffelt, gespitzelt, alles aufgezogen, geöffnet, angefasst und
     besehen. Er konnte sie nicht in der Wohnung lassen. Dort, wo der Tropfen aufgeschlagen war, war ein nass glänzender Fleck
     auf der Tasche. Ein zweiter Tropfen fiel in die Mitte des Flecks, ein wenig Wasser lief die Falten hinab, stockend erst, doch
     dann beschleunigte es, bevor es im Weiß des Waschbeckens verschwand. Sie musste mitkommen. Die Kirche fotografieren, die kleine
     Kirche am Alexanderplatz neben dem Park. Nicht wirklich ein Park, eher eine unbebaute Fläche mit Wegen kreuz und quer, mit
     dürren Büschen und einem abgeschalteten Springbrunnen, der mit Laub gefüllt war. Er war an ihr vorbeigefahren auf dem Heimweg
     vom Dom, hatte beschlossen zu warten, bis Schnee lag, Schnee auf dem Müll, auf Kot und den Parkplätzen hinter der Kirche,
     dem löchrig getretenen Rasen, den vereisten Pfützen. Die Kirche am linken Bildrand, im Zentrum vereinzelt Bäume, so hatte
     er es sich vorgestellt, wie eine Kirche mit Pfarrgarten sollte es ein, menschenleer.
    Mühsam stand er auf, die Kälte war schädlich, seine Muskulatur wurde steif. Den Beutel ließ er im Waschbecken, es dauerte,
     bis seine Finger den Bademantelknoten gelockert hatten. Der Boden der Dusche war bereits trocken, er drehte das Wasser auf,
     presste die Zähne aufeinander.
     
    Die rote Dose ließ er auf dem Waschbeckenrand stehen, seine Zahnbürste stellte er in den Becher, gab acht, das sie die hellgrüne
     nicht berührte.
    |101| Der Tisch war gedeckt, die Tischdecke fehlte, Teller, Tasse, Messer und Gabel, in eine Serviette gewickelt, lagen auf der
     weißgrau beschichteten Platte. Teekanne, Marmeladenschälchen, den Wurst- und Käseteller und den Brot- und Butterteller hatte
     sie danebengestellt. Kein Eierbecher mit weichgekochtem Ei, vermerkte er. Die andere Hälfte des Tischs war leer, ohne Teller
     und Tasse und ohne Besteck.
    Es war sehr still in seiner Küche, die Stuhlbeine schleiften über den Boden, als er sich an den Tisch setzte, es musste auch
     im Wohnzimmer zu hören sein.
    Er nahm eine Scheibe Graubrot, die Butter war kalt, ein fester hellgelber Klumpen, der am Messer klebte, ein Loch in die Brotscheibe
     riss, als er versuchte, ihn zu

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