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Silberfischchen

Titel: Silberfischchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger-Maria Mahlke
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Kompost.
    Die Gänseblümchen leuchteten weiß, auf den ersten Bildern auch die Wäsche, er ließ sie auf der Leine hängen. Nach kurzer Zeit
     war sie gelblich, gesprenkelt mit schwarzem Vogelkot. Ein Kopfkissenbezug riss sich los, der Wind trieb ihn über den Rasen,
     jeden Morgen lag er woanders, am Ende hing er in den Rosen. Er hatte hinter ihr gestanden, als er die ersten Fotos aufnahm,
     ungefähr einen Meter hinter ihren Füßen, die Gänseblümchen waren scharf gezeichnet, ihr Nacken war zu sehen, ihre Waden. An
     den nächsten Tagen bemühte er sich, genau die gleiche Stelle wiederzufinden, es gelang ihm nicht. Schließlich ging er in die
     Garage und holte einen Kricketschläger, suchte eine Position, die ihm richtig erschien, und markierte die Stelle mit dem |93| Schläger, der Ermittlungsbericht erwähnte es in der Spalte »Besonderheiten«. Ihre Haut wurde zuerst immer weißer, dann grau,
     über Nacht fraß ein Nager ihre Nase an, ein weißes Knochenhorn kam zum Vorschein. Die Hecke zur rechten Seite war hoch, hinter
     dem Garten begann der Wald, die Nachbarn auf der anderen Seite waren im Urlaub. Essen holte er beim Imbiss, die Wäsche gab
     er in der Reinigung ab, niemand fragte nach ihr. Er hatte den Hund kläffen hören, war nachts aufgewacht und hatte ihn kläffen
     hören. Am nächsten Morgen, er war noch beim Zähneputzen, klingelten die Kollegen. Die Nachbarn hatten angerufen, sie waren
     zurück, ihr Spaniel hatte am Zaun gekläfft, stundenlang und gar nicht davon abzubringen, gaben sie zu Protokoll.
     
    Er hatte oft in dem Zimmer gesessen, bei Einsatzbesprechungen, manchmal auch nach Dienstschluss. Hatte die immergleichen Büropflanzen
     auf der Fensterbank betrachtet, die nicht zu wachsen schienen, ihre langen blassgrünen Blätter von einer Staubschicht bedeckt,
     in den Töpfen braunes Granulat. Hatte sich über das Waschbecken in der Ecke und den Spiegel darüber gewundert, über das hellgelbe
     rissige Seifenstück, das, wie die Pflanzen, seine Größe nicht veränderte. Er kannte den blanken Schreibtisch, auf dem nur
     selten eine Akte gelegen hatte, kannte die dunkelgrüne Schreibauflage, akkurat nach der Tischkante ausgerichtet. Wenn sie
     hier zusammenkamen, hatten sie um den langen Besprechungstisch gesessen, der jetzt in seinem Rücken stand. Auch nach Dienstschluss,
     wenn sie Cognac |94| tranken, sich über Frühschichten und Spätschichten beklagten, über die Ausrüstung, die winzigen Zuwächse bei den Bezügen,
     Überstunden, wenn sie sich über den Irrsinn von denen da draußen und denen da oben verständigt hatten.
    Die Obduktion ergab Subarachnoidalblutung durch Perforation eines Aneurysmas, teilte ihm der Schichtleiter mit.
    Er hatte den orangenen Aktendeckel angesehen und nicht gewusst, was er antworten sollte. Sie hatten sie aufgeschnitten. Sie
     hatten sie aufgeschnitten und nachgesehen, ob er ihr etwas angetan hatte. Hatten ihn auf den Besucherstuhl gesetzt, ihm verschwiegen,
     dass sie sie aufschneiden würden, hatten für möglich gehalten. Nicht gefragt, sondern aufgeschnitten und nachgesehen.
    Wenn er etwas gelernt habe in diesem Beruf, dann, dass es Dinge gäbe, die man nicht verstehe, hatte der Schichtleiter gesagt
     und die Akte geöffnet, wahllos ein paar Seiten umgeblättert, Dinge, die man nicht verstehe, hatte er wiederholt.
    »Wie viele Sterbefälle hast du bearbeitet?«, der Schichtleiter hatte eine Pause gemacht, als erwarte er eine Antwort. »Erst
     den Arzt rufen und dann den Bestatter, damit er sie abholt, die Leiche«, fuhr er fort.
    »Aus Liebe« habe er es getan, hörte er in den Gängen der Dienststelle. Er war weitergegangen, hatte sie nicht korrigiert,
     hatte es nicht richtiggestellt. Er hatte die Frühpensionierung selbst vorgeschlagen, sein Schichtleiter sah erleichtert aus.

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    Es war dunkel, als er aufwachte, er konnte den Wecker nicht erkennen. Seine Hände suchten die Nachttischlampe, ertasteten
     das Kabel, fuhren es entlang, bis sie gegen den Schalter stießen. Er musste blinzeln, es war kurz nach sechs. Er lehnte sich
     zurück, fühlte das weiche Nachgeben des Kopfkissens, hörte, wie die Luft durch den Stoff des Kissenbezugs gedrückt wurde,
     als sein Gewicht die Daunen zusammenstauchte. Eine Feder bohrte sich in seinen Nacken, er hätte sie aus dem Kissen ziehen
     können, er rührte sich nicht. Den Federkiel fest gegen die weiche Haut unter seinem Ohr gepresst, zog er die Decke glatt im
     matten Licht, schob mit

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