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Silberflügel: Roman (German Edition)

Silberflügel: Roman (German Edition)

Titel: Silberflügel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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rund, nicht wahr, wie der Mond?“
    „Ja. Nur größer.“
    Erstaunt schüttelte er den Kopf. Dieses Leuchten konnte er sich nicht vorstellen.
    „Dann wolltest du sie also nur sehen? Wie ich?“, fragte er Frieda.
    Sie nickte. „Als ich jünger war, wollten das viele von uns. Einige waren sogar bereit dafür zu sterben. Heutzutage sind sie anders. Ihnen ist es egal. Vielleicht denken sie, das Gesetz ist unfair, aber dagegen zu kämpfen sind sie nicht bereit. Wie Bathsheba. Und in mancher Hinsicht ist das klug. Denk an deinen Vater, denk an das, was dir und Ariel beinahe passiert wäre.“
    „Wie kommt es, dass uns nicht erlaubt ist, die Sonne zu sehen? Ich meine, ich weiß, das ist das Gesetz, aber warum?“
    „Wir sind verbannt worden, Schatten, vor Millionen von Jahren.“
    „Verbannt?“
    „Bestraft, vertrieben.“
    „Wofür? Was haben wir getan?“
    „Es ist einfacher, wenn du das selber hörst. Komm mit.“

– 3 –
Der Echoraum
    Während der letzten Morgendämmerung hatte sich Schatten zur Spitze des Baumhorts begeben, nun führte ihn Frieda in seine untersten Tiefen. In Spiralen flogen sie die ganze Länge des Stammes hinab und Schatten staunte über die gewaltige Größe des Baumes. Immer tiefer ging es hinab, bis sie auf dem bemoosten Boden landeten. Er spürte, wie viel kühler es hier war, und bemerkte den starken Geruch von Erde und Holz. Er dachte, er hätte zentimeterweise jeden Winkel des Baumhorts erforscht, jeden Gang, jede Höhlung, aber nie war ihm diese kleine Pforte aus knorrigem Holz aufgefallen, zu der Frieda auf allen vieren hinkroch.
    Er folgte ihr durch die Öffnung und weiter nach unten, und sofort wusste er, dass er sich unter der Erde befand. Seine Echostrahlen prallten scharf gegen die Wände des engen Ganges.
    „Wir sind da“, sagte Frieda vor ihm.
    Der Boden des Ganges neigte sich nach unten und Schatten breitete sofort die Flügel aus und glitt in eine große Höhle hinab. Er fühlte die Kälte, die durch die Steinwände sickerte, und dachte: Winter. Und dann hörte er den Wind – jedenfalls dachte er zunächst, es sei der Wind. Aber als er die Ohren spitzte und genauer hinhörte, wurde ihm klar, dass es Stimmen waren, Fledermausstimmen, ganz viele. Sie murmelten und murmelten und überlagerten sich wie ein geisterhafter Lufthauch, der durch Blätter strich. Unter dem Fell bekam er eine Gänsehaut.
    „Wer ist da unten?“, fragte er mit versagender Stimme.
    „Niemand“, sagte Frieda. „Ich zeige es dir.“
    „Ich höre Stimmen …“
    „Du wirst schon sehen. Hier entlang.“
    Frieda führte ihn noch weiter nach unten zum Grund der Höhle und landete auf einem schmalen Sims. In einer kleinen Nische im rauen Stein sah Schatten einen Vorhang aus Erde und verrotteten Blättern. Die Stimmen kamen von der anderen Seite dahinter.
    „Schnell jetzt“, sagte Frieda und schob sich mit der Nase durch das weiche Zentrum der Tür.
    Er hatte keine Ahnung, was er zu erwarten hatte. Vielleicht einen Trauerchor von Gespenstern, vielleicht nur ein einziges Gespenst mit tausend jammernden Mündern. Er fand sich in einer überraschend kleinen, völlig runden und vollkommen verlassenen Höhle. Sie war jedoch nicht wirklich verlassen. Überall um ihn herum, wie warme Luftströme, waren Stimmen, die in seinen Ohren klagten und sich in seinem Fell, seinen Flügeln verfingen.
    „Leg die Flügel fest an“, sagte Frieda und schloss sorgfältig hinter Schatten den erdigen Vorhang, „und sei still.“
    Er wagte kaum zu atmen. Dennoch waren die Stimmen schwach und schienen von weit her zu kommen, aber er konnte sie jetzt besser verstehen, wie sie herumwirbelten:
    „… im Winter dieses Jahres …“
    „… nahmen die Eulen Rache …“
    „… fünfzehn Junge starben in der Kinderkrippe …“
    „… Revolte nach der Schlacht niedergeschlagen …“
    Ihm wurde klar, dass es sich um Echos handelte, die immer wieder und immer wieder von den Wänden der Höhle zurückgeworfen wurden.
    „Siehst du, wie glatt die Wände sind?“, flüsterte Frieda. „Es hat Jahre gedauert, sie auszuhöhlen und zu polieren. Generationen. Aber sie mussten ganz glatt sein, sonst würden sich die Echos verwirren und verstummen. Hier können sie Jahrhunderte lang zurückgeworfen werden. Das Ganze ist nicht vollkommen. Töne entweichen sogar durch die Tür, die sie so sorgfältig angefertigt haben und die ich jedes Frühjahr ausbessere. Auch Töne altern, verlieren ihre Kraft.“
    „Wozu dient das?“
    „Es

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