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Silberflügel: Roman (German Edition)

Silberflügel: Roman (German Edition)

Titel: Silberflügel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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ich.“
    „Du wirst kein Problem haben. Ich werde die ganze Zeit bei dir sein. Und Frieda sorgt dafür, dass keiner zu weit zurückbleibt.“
    „Aber was, wenn ich trotzdem zurückbleibe?“
    „Möchtest du, dass ich dir etwas über die Route sage, die wir nehmen?“
    Schatten nickte. Es schien eine gute Idee. Nur für alle Fälle.
    „Ich kann dir nicht alles sagen, das würde zu lange dauern. Aber ich kann dir einige von den Orientierungspunkten beschreiben. Mach die Augen zu und konzentriere dich.“
    Ariel drückte ihre Stirn an seine und begann zu singen. Eine helle silbrige Landschaft leuchtete aus der Finsternis auf, ein Wald, eine Lichtung und eine hoch aufragende Eiche mit ausladenden Ästen. Es war der Baumhort.
    „Du kannst es auch!“, rief Schatten und rückte ein wenig von der Mutter ab. „Es ist genauso wie im Echoraum!“
    „Ich werde es dir eines Tages beibringen. Hör zu.“
    Sie begann wieder zu singen, und mit fest geschlossenen Augen sah Schatten zu, wie sein geliebter Baumhort, so wie er ausgesehen hatte, bevor die Eulen ihn niederbrannten, immer kleiner wurde und in der Ferne verschwand, als ob er davon wegflöge.
    Nun veränderte sich die magische Landschaft, löste sich auf wie in tausend Lichtpunkte, die sich plötzlich neu formierten. Er schwebte hoch über Baumwipfeln dahin, dann erkannte er die Scheune unter sich, die Scheune, in der sie eben jetzt rasteten.
    Er jagte an ihr vorbei, als flöge er mit einer Million Flügelschlägen pro Sekunde, bis er direkt vor sich einen Turm sah, von Menschenhand errichtet und höher als jeder Baum. Was war das? Als er näher raste, blitzte auf der Spitze dieses hohen Turmes ein Licht auf und genauso schnell verschwand es wieder.
    Er wollte seine Mutter gerade fragen, was dies sei, aber er wirbelte bereits an dem Turm vorbei und konnte erkennen, dass dieser sich auf einer felsigen Lichtung am Rande des Wassers erhob. Aber das war nicht wie der Bach, aus dem sie tranken. Dieses schwarze Wasser dehnte sich immer weiter vom Land weg aus, bis es den Nachthimmel in einer flachen, schrecklichen Linie berührte.
    „Mami, was ist das für ein Ort?“
    „Schatten, hör einfach zu.“
    Er drehte ab, folgte dem felsigen Landrücken, an dem sich Erde und Wasser trafen, flog so schnell, dass er außer Atem geriet, als ruderte er tatsächlich mit den Flügeln, um mitzukommen.
    Dann vor ihm eine auf dem Kopf stehende Ansammlung von Sternen, größer und dichter als die wirklichen Sterne, die sich in alle Richtungen ausdehnten.
    Dann ein Kreuz aus Metall, und die Sterne wirbelten drum herum, und ein hohles Dröhnen bong, bong, bong , dass ihm die Ohren juckten.
    Und jetzt ein einzelner Stern am Himmel, der heller leuchtete als alle anderen.
    Nun die Ohren eines riesigen weißen Wolfs und überall Eis. Und ein breiter Wasserfall, der donnernd und brüllend Gischt nach oben schleuderte.
    Dann wurde es in seinem Kopf dunkel und still. Seine Augen sprangen auf und er blickte seine Mutter erstaunt an.
    „Hast du alles gesehen?“, fragte sie.
    „Ich glaube, schon, aber da waren Dinge, die ich nicht verstanden habe. Was war dieser hohe Turm und …“
    „Ich werde es dir morgen Abend erklären“, sagte sie. „Das Beste ist, wenn du einfach die Bilder und Geräusche im Gedächtnis behältst, die ich dir gesungen habe. Das sind die wichtigsten Orientierungspunkte auf der Reise. Wir sollten jetzt etwas schlafen. Wir werden morgen zum Felsenlager kommen. Du wirst deine Brüder treffen.“
    Schatten grunzte. Sie würden wahrscheinlich meinen, er sei ein Knirps.
    Er presste sich fest an seine Mutter, wickelte die Flügel eng um den Körper und faltete die großen Ohren nach unten, um zusätzliche Wärme zu gewinnen. Hier war es kälter als im Baumhort und er zitterte ein wenig, bis ihm wieder warm wurde. Er hörte, wie der Atem seiner Mutter leise und langsamer wurde. In seinem eigenen Kopf aber arbeitete es noch fieberhaft.
    Es nützte einem nichts, nur einfach zu bedauern, was geschehen war. Das würde seinen Vater nicht zurückbringen oder den Baumhort oder die Eulen daran hindern, ihn zu jagen. Er würde etwas unternehmen müssen.
    Und in den ruhig dahintreibenden Augenblicken, bevor der Schlaf ihn endlich übermannte, wusste er plötzlich, was er zu tun hatte. Im Felsenlager würde er die anderen beringten Fledermäuse treffen, die seinen Vater gekannt hatten. Er würde sich mit ihnen unterhalten und sie dazu bringen, ihm zu erzählen, was sie wussten, was

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