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Silberflügel: Roman (German Edition)

Silberflügel: Roman (German Edition)

Titel: Silberflügel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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gehört, dass Menschen auf dem Wasser in so genannten Schiffen fahren konnten. Aber warum sollten Menschen das tun wollen? Was gab es da draußen auf dem Meer, das für sie von irgendeinem Interesse sein könnte?
    Als sie an Höhe verloren, um sich wieder dem Rest der Kolonie anzuschließen, gab es vor ihnen einen plötzlichen Lichtschein, und Schatten dachte sofort: ein Blitz. Aber seine Mutter deutete mit dem Kopf auf einen undeutlich aufragenden Schatten am Horizont, verborgen hinter einer Nebelschwade.
    „Erkennst du’s?“, fragte sie.
    Der Nebel verzog sich und Schatten nickte aufgeregt. Es war der merkwürdige hohe Turm aus dem Gesang der Mutter, und er war überrascht, wie gut sie ihn beschrieben hatte. Als ob er schon einmal hier gewesen wäre.
    „Was ist das für ein Licht?“
    „Schau nicht zur Spitze“, sagte sie. „Da blitzt es alle paar Sekunden auf, sehr hell.“
    „Ich erinnere mich daran aus deinem Gesang. Aber wozu dient das?“
    „Frieda denkt, die Menschen haben es vor langer Zeit gebaut, um ihren Schiffen die Navigation zu erleichtern. Und dafür nutzen wir es auch.“
    Schatten schloss die Augen und rief sich Ariels Karte in Erinnerung.
    Der Turm und dann … eine Richtungsänderung den knochigen Felsrücken entlang.
    Er hatte verstanden. „Wir fliegen am Meer entlang nach Süden, nicht wahr?“, sagte er. „Das bedeutet doch die Karte, oder?“
    „Gut“, sagte Ariel. „Wir bleiben immer über Land. Über Wasser ist es zu gefährlich. Die Winde sind dort anders.“
    Frieda führte sie näher an den Turm heran, sodass Schatten seine steinernen Mauern erkennen konnte, die sich nach oben verjüngten. Dann drehte die Fledermausälteste scharf nach Süden ab und die ganze Kolonie folgte ihr und segelte auf dem Wind über der Felsenküste.
    Der Regen brach ganz plötzlich los. Nicht die sanften Tropfen, die Schatten von den Sommerschauern kannte, sondern eisig herantreibende Nadeln. Sie brachten sein Klang-Sehen durcheinander, blitzten wie Sternschnuppen vor seinem inneren Auge auf. Er schüttelte den Kopf, um klarer zu sehen.
    „Lass dich davon nicht irritieren“, sagte Ariel. „Halte dich dicht an mich. Sieht so aus, als ob es einen Sturm gibt.“
    Wie auf ein Stichwort zerrte der Wind an seinem Körper. Er spannte die kleinen Muskelstränge an den Flügeln an und versuchte diese straff zu halten, um nicht vom Kurs abgetrieben zu werden. Trotzdem warf der Wind ihn von einer Seite auf die andere, schleuderte ihn hoch, drückte ihn wieder nach unten.
    „Runter zu den Bäumen! Runter zu den Bäumen!“, ertönte Friedas Ruf und wurde von den anderen Fledermäusen wiederholt. „Wir werden den Sturm aussitzen! Runter zu den Bäumen!“ Um sie herum kreischte der Wind und Schatten taumelte.
    „Halt dich fest an mir, Schatten“, rief seine Mutter. „Es wird zu wild.“
    „Nein!“, gab er zurück. Vorne konnte er noch Chinook sehen, der über den Flügel zu ihm zurückschaute. Schatten würde nicht, konnte nicht seine Krallen in das Fell der Mutter schlagen und sich an ihr festklammern, während sie für beide flog. Als wäre er wieder nichts als ein nackter Säugling. Er war etwas Besonderes, Frieda hatte das gesagt. Er würde aus eigener Kraft landen, wie Chinook, wie die anderen Jungen.
    „Schatten!“, rief ihn seine Mutter wieder. „Komm her!“
    Aber er drehte mit Absicht von ihr ab, schaukelte ganz verrückt durch den Regen. Er stellte die Flügel auf um Höhe zu verlieren.
    „Mir geht’s gut!“, schrie er. Ein wilder Windstoß warf ihn auf den Rücken und seine Flügel verzogen sich.
    „Schatten!“
    „Mami, hilf mir!“ Der Wind peitschte ihm die Worte vom Mund. Er kämpfte, um sich aufzurichten. Seine durchnässten Flügel klebten nutzlos am Körper. Er kam ins Trudeln, geriet in eine Nebelbank, konnte nichts mehr sehen. Er hatte keine Ahnung, wo er war, wie hoch über dem Boden er war. Für einen Sekundenbruchteil riss der Nebel auf und er konnte kurz seine Mutter und die anderen Fledermäuse sehen – so weit entfernt, wie hatten sie sich nur so weit entfernt? – und dann zog sich der Nebel zu und er kam wieder ins Trudeln.
    Endlich ließ der Wind etwas nach und Schatten breitete die Flügel aus. Er schwebte aus einer Nebelbank heraus und schrie entsetzt auf.
    Er befand sich über dem Ozean.
    Er wendete und versuchte Land auszumachen.
    Aber das war in Regen und Nebel verborgen. In welcher Richtung? Die Sterne oben waren verdeckt. Ein weiterer heimtückischer

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