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Silberflügel: Roman (German Edition)

Silberflügel: Roman (German Edition)

Titel: Silberflügel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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verlangten ein Opfer, und der Gedanke, dass das seine Mutter sein könnte … Der Gedanke, sie zu verlieren, war zu entsetzlich. Für immer, so wie seinen Vater. Er warf sich auf sie und krallte sich an ihr fest.
    „Tu’s nicht!“, flüsterte er heftig.
    „Nein!“
    Es war Friedas Stimme, sie kam von der Spitze des Baumhorts, und Schatten und seine Mutter wandten ihre Blicke dorthin. Die Älteste hatte voller Zorn ihre Flügel weit ausgebreitet und richtete sich auf den hinteren Krallen auf, bleckte die Zähne, nicht gegen Brutus, sondern gegen Bathsheba.
    „Du vergisst, wer du bist“, wies sie die andere Fledermaus zurecht. „Bis zu meinem Tode bin ich die Erste unter den Ältesten, nicht du. Ich spreche für die Kolonie, also höre mir jetzt zu. Niemand wird den Jungen mitnehmen oder sonst jemanden.“ Sie wandte sich an Brutus. „Das ist mein letztes Wort an dich.“
    Die riesigen Augen der Eule schlossen sich. „Das ist eine unkluge Entscheidung.“ Brutus schlug mit den Flügeln, erhob sich vom Baumhort, drehte den Hals und kreischte in einer Sprache, die Schatten nicht verstand, hinauf zu seinen Begleitern. Dann, während er höher flog, rief er zu Frieda zurück: „Du hast deine Antwort gegeben, nun erfolgt die unsrige.“
    Mit einem fürchterlichen Schrei stürzten sich vierzig Eulen mit Feuerbränden in den Klauen auf den Baumhort. Schatten sah, wie Frieda und Bathsheba auswichen, als die Eulen ihre Stöcke auf den Baum warfen. Wo sie die Rinde trafen, züngelten Flammen. Er kann nicht brennen, dachte Schatten verzweifelt. Er ist vom Blitz getroffen worden und kann nicht noch einmal brennen. Aber er brannte. Funken erfassten die schwarze Rüstung des Baumes an den Ästen, am Stamm.
    Er musste die Ausbreitung des Feuers verhindern. Bevor ihn seine Mutter zurückhalten konnte, schwang er sich in die Luft und stürzte sich auf einen sich ausbreitenden Flammenherd. Mit ausgestreckten Flügeln schlug er darauf, immer wieder, bis er zischend verglomm. Es ging also, er konnte die Feuer auslöschen und den Baumhort retten. Er blickte wild um sich, stürzte sich auf einen anderen Brandherd. Aus den Augenwinkeln sah er, wie seine Mutter und dutzende von anderen Fledermäusen aus ihren Verstecken im Wald aufflogen und zu ihrer geliebten Behausung schwirrten. Sein Herz tat einen Sprung.
    „Erstickt die Flammen!“, ertönte ein Ruf. „Löscht das Feuer!“
    Aber die Eulen hatten auf sie gewartet und schlugen sie mit ihren Flügeln so mühelos zurück, als wären sie Regentropfen. Sie griffen sie nicht mit ihren Klauen an, ihr Ziel war nur, die Fledermäuse vom Baum fern zu halten. Nur wenige kamen durch, um die Flammen zu bekämpfen. Schatten hatte wieder ein kleines Feuer erstickt, flog in Querlage um den dicken Stamm herum und stieß beinahe mit einer Eule zusammen. Gerade noch rechtzeitig konnte er abdrehen. Die Eule hatte ihn noch nicht einmal bemerkt. Der riesige Vogel verharrte auf der Stelle, bewegte die Flügel auf und ab und suchte nach etwas.
    Suchte nach einem Eingang.
    In den Klauen hielt die Eule einen Feuerbrand. Sie fand das Astloch, zu klein für sie, um eindringen zu können, aber … Plötzlich verstand Schatten. Die Eule flog zu dem Astloch hin und versuchte die Brandfackel hineinzuschieben.
    Eine fürchterliche Wut packte Schatten, sein Verstand setzte aus.
    Er warf sich auf den brennenden Stock, packte ihn mit Klauen und Zähnen und versuchte ihn der Eule zu entwinden. Aber es hatte keinen Zweck. Mit dem Ruck eines Flügels schleuderte ihn die Eule gegen den Stamm. Er fiel ins Dunkel, spürte einen erstaunlich sanften Aufschlag, und nur intensive Hitze brachte ihn wieder zu sich.
    Er öffnete die Augen und schnellte zurück von dem brennenden Moos am Fuße des Baumes. Mit angesengten Flügeln schlug er auf das Feuer ein, aber es ließ sich nicht ersticken. Die Flammen wurden größer, hungriger, sprühten Funken, die sich in seinem Fell verfingen und ihm auf der Haut brannten.
    „Schatten, hör auf!“ Seine Mutter riss ihn zurück.
    „Ich muss aber!“
    „Du kannst es nicht löschen.“
    Er machte weiter, während sie ihn wegzerrte, durch die Rauchwolke und in die Luft. Er wusste, sie hatte Recht. Der Baumhort war eine Feuersäule. Und aus den Astlöchern, den Eingängen, die er immer für so geheim und sicher gehalten hatte, schossen scharfe Flammenzungen. Der Baumhort brannte innen und außen. Die Borke krachte, altes Holz ächzte. Das Feuer würde sich nicht mehr eindämmen

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