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Silberflügel: Roman (German Edition)

Silberflügel: Roman (German Edition)

Titel: Silberflügel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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Flügel weg. „Hast mich fast erstickt darunter“, sagte sie ärgerlich.
    „Ja, aber es hat funktioniert“, erwiderte er grinsend. Er war so froh, dass er heil aus dem Turm gekommen war, froh, dass er noch beide Flügel am Körper hatte.
    „Dafür kannst du mir dankbar sein“, sagte sie. „Im offenen Gelände hätten sie uns geschnappt.“
    „He, ich war derjenige, der das Licht ausgemacht und uns aus diesem stinkenden Turm gebracht hat.“
    „Das war geistesgegenwärtig“, musste sie zugeben.
    „Ganz sicher.“
    „Und viel Glück“, fügte sie hinzu. „Wir können von Glück sagen, dass wir noch am Leben sind.“
    Schatten zuckte die Achseln. Er bebte am ganzen Körper. „So gefährlich waren die gar nicht. Sie sind keine tollen Flieger, oder? Ich meine, sie sind nicht so schnell wie wir und sie machen auch viel Lärm und können nicht besonders gut manövrieren. Was für eine Flucht!“
    „Sie werden zurückkommen und nach uns suchen.“
    Er seufzte. Marina war so vernünftig. Es fing an zu nieseln und er fühlte sich plötzlich sehr müde.
    „Wir müssen den richtigen Turm finden“, sagte er. Aber wie sollten sie das nur in dieser Stadt voller Türme? Er wollte nur aus dem Häusermeer heraus und wieder zurück auf ihren Weg.
    „Lass uns erst einen sicheren Unterschlupf für den Tag suchen. Ich möchte nicht, dass wir von der Morgendämmerung im Freien überrascht werden und alle Vögel in der Stadt Jagd auf uns machen.“
    Der Luftraum geschlossen. In Schattens Kopf klangen die Worte der Eule nach. Sie würden jetzt nie mehr sicher sein. Sein ganzes Leben lang hatte die Nacht ihm gehört, nun war sie ihm streitig gemacht worden. Und das alles nur, weil die Tauben behaupteten, zwei von ihnen seien von Fledermäusen getötet worden. Von Riesenfledermäusen.
    „Was sind Wasserspeier?“, fragte er Marina.
    „Weiß ich nicht. Denkst du daran, was die eine Taube gesagt hat?“
    „Vielleicht haben sie es auch nur erfunden.“ Aber er wusste, dass er wünschte, es wäre wahr. Er wünschte sich, es gäbe tatsächlich Fledermäuse, die sie groß wären, dass die Tauben Angst vor ihnen hätten. Vielleicht wären sie groß genug, um sogar mit Eulen zu kämpfen.
    Zusammen mit Marina ließ er sich von der Mauer herabfallen und strich niedrig über die Gebäude hinweg.
    „Vielleicht könnten wir uns auf einem Dach niederlassen?“, schlug er vor.
    „Nein. Zu viele Tauben in der Nähe. Irgendwo muss es doch einen Baum geben.“
    Sie schraubten sich höher hinauf, um einen besseren Überblick zu bekommen, und überflogen einen großen Platz, der von Bäumen umgeben war. In der Mitte befand sich ein hohes Gebäude aus Stein. Es sah anders aus als die übrigen Bauten. Eher wie das Skelett eines gewaltigen uralten Tieres, auf die Erde gekauert mit dem Kopf nach unten. Vorne erhoben sich zwei steinerne Türme mit unregelmäßiger Oberfläche wie spitz herausragende Schulterblätter. Nach hinten erstreckte sich ein steil aufragendes Dach, das von steinernen Bögen wie Rippen gestützt wurde. Am Ende des Gebäudes erhob sich dann der allerhöchste Turm und verjüngte sich wie der knochige Schwanz eines Tieres.
    Und da war es.
    Die Turmspitze krönte ein Metallkreuz, das im Licht der Stadt silbern glänzte.
    „Marina“, sagte er.
    Erleichtert flatterte er am Turm empor und suchte nach einem geeigneten Landeplatz – dann riss er entsetzt die Flügel zurück und bremste verzweifelt.
    „Vorsicht!“, schrie er.
    Eine Art riesiger Dämon duckte sich am unteren Ende des Turmhelms. Auf seinem Rücken breiteten sich stachlige Flügel aus und plötzlich funkelte er sie mit gewaltigen Augen an. Er duckte sich wie zum Sprung, aus dem weit geöffneten Höllenmaul tropfte Speichel.
    „Da ist noch einer!“, rief Marina und drehte ab. Schatten machte eine ähnliche Kehre und jagte mit angespannten Muskeln hinter Marina her. Er erwartete, dass die Kiefer ihn jeden Augenblick packen würden. Noch ein Flügelschlag und sie hätten seinen Schwanz erreicht, jede Sekunde jetzt, jede Sekunde … Er hielt es nicht länger aus. Er blickte zurück.
    „Warte!“, rief er Marina nach. „Warum rühren sie sich nicht?“
    Vorsichtig kreiste sie. „Vielleicht haben sie uns nicht gesehen.“
    „In einen bin ich fast hineingeflogen!“ Wenn sie gefährlich wären, hätten sie inzwischen mit Sicherheit zugeschlagen. Mit dem Klang-Sehen blickte er noch einmal zurück. Da waren sie und hockten bewegungslos an den Ecken des

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