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Silberlicht

Silberlicht

Titel: Silberlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Whitcomb
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du starbst?«, forschte ich weiter. Ich wollte alles über ihn wissen.
    »Neunundzwanzig.«
    Ich hatte vergessen, dass er, selbst wenn er mit hundertundneun Jahren gestorben wäre, in Billys Körper immer wie ein Siebzehnjähriger ausgesehen hätte. Ich weiß nicht, ob es für jemanden wie mich möglich ist, zu erröten. Wahrscheinlich schon, denn James betrachtete mein Gesicht nun mit großem Interesse.
    »Gibt es noch andere?«, fragte ich weiter. Die Vorstellung, dass ich für ihn eine gewöhnliche Erscheinung sein könnte, schmerzte mich unbeschreiblich.
    »Nein«, sagte er. »Nun, da ich in einem menschlichen Körper lebe, kann ich andere Geister sehen, aber niemanden wie dich.«
    Er hatte etwas an sich, das mich fortwährend entwaffnete. »Mr. Blake …« Ich zögerte. »Das ist nicht dein richtiger Zuname, nicht wahr?«
    »Ich heiße Deardon«, antwortete er. »Aber es wäre unverzeihlich, wenn du mich nicht James nennst.«
    Wieder war ich sprachlos. Es war wirklich zum Verzweifeln.
    »Bitte«, sagte er.
    »James …« Das Wort fühlte sich fremd an. »Warum hast du …« Ich unterbrach mich. »Wie hast du Mr. Blakes Körper in Besitz genommen?«
    »Er gab ihn frei«, erwiderte James. »Er verließ ihn, Verstand und Seele, wie ein leer stehendes Haus mit offener Tür.« Er schien sich darüber zu freuen, mir sein seltsames Abenteuer erzählen zu können.
    »Warum starb er nicht, als sein Geist seinen Körper verließ?«, wollte ich wissen.
    »Sein Körper starb nicht«, erklärte er mir, immer noch fasziniert von einem solchen Glücksfall. »Sein Geist beschloss zu gehen. Es ist schwierig zu erklären. Bei seinem Untergang hat das Schiff die Mannschaft nicht mit sich gerissen, sondern die Mannschaft hat das Schiff verlassen. Trotzdem ist es immer noch seetüchtig.« Er sah ein wenig verlegen aus. Etwas in meinem Gesichtsausdruck schien ihn beschämt zu haben.
    »Es wirkt falsch«, sagte ich. »Wie Diebstahl.«
    »Besser, ich habe ihn als …« Etwas Unheimliches blitzte hinter seinen herbstlichen Augen auf.
    »Als was?«
    »Nun, etwas Böses könnte ihn besetzen, während er sich herumtreibt.« James hatte den Telefonhörer wieder sinken lassen. Ich führte eine Hand zu meinem Ohr. Er lächelte und hob den Hörer wieder an.
    »Wie lange bist du schon in diesem Körper?«, fragte ich.
    »Seit dem neunten September.«
    Also schon zwei Wochen. »Wie kommt es dann, dass du mich erst letzten Montag gesehen hast?«
    »Das war mein erster Tag zurück in der Schule«, erklärte James. »Billys Körper war so krank, dass ich eine Woche im Bett liegen musste.«
    »Was fehlte ihm?«, wollte ich wissen.
    James fühlte sich sichtlich unwohl, als er meine Frage beantwortete. »Er nahm so viele Drogen, dass er beinahe daran gestorben wäre.«
    »Woran hast du erkannt, dass er leer war?«, bohrte ich weiter, denn viele von Mr. Browns Schülern sahen so tödlich gelangweilt aus, dass ich den Unterschied nicht hätte nennen können.
    »Es war die Art, wie sein Körper nachschwang, als er ihn verließ. Er klingelte irgendwie.«
    »Klingelte? Wie eine Glocke?«
    »Nein.« Er dachte einen Moment nach. »Körper mit Seelen darin sind fest, wie ein Balken in einem Haus. Leere Körper vibrieren leicht, wie der Wind, der durch die Regenrinne auf dem Dach blasen und sie wie eine Eule rufen lassen kann.«
    »Der Junge klang wie eine Eule?« Ich war mir sicher, dass er mich aufzog.
    »Ich bemerkte, dass er hohl klang. Wie wenn man sich eine Muschel ans Ohr hält«, sagte er. »Ich bezweifle, dass jemand, der nicht Licht ist, es hätte hören können.«
    Das hier wurde langsam so absonderlich wie das Wunderland. »Wie kommt es, dass ich mehr Jahre als Licht verbracht habe, du jedoch all diese Dinge weißt und ich nicht?«
    James lachte. »Weil ich wieder in einem Körper bin«, sagte er. »Früher war es, als blickte ich durch eine dunkle Glasscheibe, doch jetzt sehe ich die Welt klar und deutlich.«
    »Wie hast du diesen Körper gefunden?«, fragte ich und klang dabei fordernder als beabsichtigt.
    »Ich sah Billy fast jeden Tag. Er kam zu meinem Spukplatz, um sich vor seinen Freunden zu verstecken oder um Pillen zu schlucken und zu rauchen.« James beobachtete einen Schüler, der an der Telefonzelle vorbeipolterte und die Tür zum Erzittern brachte. »Ich merkte, dass mit diesem Jungen etwas nicht stimmte, dass er manchmal leer klang«, sagte James. »Ich war an meinen Spukplatz gebunden, doch ich fühlte mich für ihn

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