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Silberlicht

Silberlicht

Titel: Silberlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Whitcomb
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getan hatte.
    »Wo hat sie es Ihnen vorgelesen?«, wollte der Vizedirektor wissen.
    Meine unterdrückte Wut ließ mich aufspringen und rufen: »Hören Sie auf!«
    Mr. Flint starrte mich mit offenem Mund an.
    »Jennifer?« Ich ignorierte Dans Stimme.
    »Mr. Brown hat mich nie anders als mit Respekt und Freundlichkeit behandelt. Er hat mich nicht missbraucht.«
    Mr. Flint schwieg einen Moment und sagte dann: »Aber du liebst ihn.«
    Meine Beine drohten unter mir nachzugeben, und ich musste mich setzen. Mein Blick glitt zu Mr. Brown, und ich hatte nicht die Kraft zu lügen. Mir war bewusst, wie verräterisch mein Schweigen wirken musste.
    »Nicht so, wie Sie meinen.«
    Es herrschte vollkommene Stille im Raum.
    »Darf ich etwas dazu sagen?« Mr. Olsen hielt immer noch sein Handy bereit.
    »Später«, wies ihn Mr. Flint zurecht. »Danke, Michael. Wir werden es Sie wissen lassen, wenn wir noch Fragen haben.«
    Ich spürte, wie mich Mr. Brown beim Hinausgehen beobachtete, doch ich fühlte mich zu elend, um den Kopf zu heben. Ich saß nur da und rollte die Plastikfolie auf meinem Schoß zusammen. Sie enthielt das einzige Foto, das ich von Mr. Brown hatte, auch wenn ich ihn bereits gekannt hatte, als er so alt gewesen war wie Billy.
    »Jennifer, ich weiß, dass du ein sehr fürsorglicher Mensch bist.« Mr. Flints Stimme war pures Gift in meinen Ohren. »Du würdest alles in deiner Macht Stehende tun, um Mr. Brown Ärger zu ersparen, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte ich in der Hoffnung, er würde mir einen Fluchtweg aufzeigen.
    »Auch lügen?«
    Ich legte Mr. Browns Foto zurück auf seinen Schreibtisch. »Ich muss nicht lügen, wenn ich sage, dass er unschuldig ist.«
    »Hat er dich gebeten, ein Geheimnis zu bewahren?« Mr. Flints Gift brannte jetzt auch in meinen Augen. »Aber du weißt, dass manche Geheimnisse nicht geheim bleiben dürfen, nicht wahr?«
    »Geben Sie mir eine Bibel«, sagte ich kurz entschlossen und hörte Cathy nach Luft schnappen. »Ich schwöre, dass Mr. Brown nicht mein Liebhaber ist.« Ich sah dem Mann direkt in die Augen und versuchte mein Möglichstes, das Gift zu ignorieren. »So etwas würde er seiner Frau niemals antun. Er liebt sie von Herzen. Er strahlt, wenn sie ihn einfach nur anlächelt …« Ich hielt inne, als ich sah, wie Mr. Flint die Stirn runzelte.
    »Jennifer«, fragte er mich. »Woher weißt du das?«
    Es war totenstill im Raum. Meine Verteidigung war dahin. Ich zog mich in ein ergebenes Schweigen zurück.
    Mr. Olsens Stimme war angespannt, sein Gesicht rot. »Beide sagen, dass nichts passiert ist.«
    Mr. Flint biss vor Wut die Zähne zusammen und wandte sich an Jennys Eltern: »Ich verspreche Ihnen, wir werden der Angelegenheit genauestens auf den Grund gehen.«
    »Mr. Flint?« Dan klang wie ein Staatsanwalt. »Sie haben gesagt, was Sie zu sagen hatten. Jetzt bin ich an der Reihe.« Er stellte sich in die Mitte des Raumes. »Morgen werden wir unsere Tochter von Ihrer Schule nehmen.« Er legte eine effektvolle Pause ein, offensichtlich hatte er seine kleine Rede schon lange vorbereitet. »Wir werden Anzeige erstatten und Klage gegen das Bildungsministerium einreichen.« Mr. Flint war sprachlos. Dan schnippte mit den Fingern, und Cathy stürzte prompt zu mir und riss mich an meinem Arm vom Stuhl.
    Auf dem Weg nach Hause saß ich wie eine angeschnallte Puppe auf dem Rücksitz hinter Cathy. Dan fuhr, keiner sprach mit mir. Leise sagte Cathy etwas zu ihm, woraufhin er das Radio anschaltete, um ihre Worte zu übertönen. Die Musik war vollkommen anders als die in Cathys Auto. Eine Symphonie, geigenschwer. Als wir daheim angekommen waren, blieb ich einfach sitzen. Cathy öffnete mir die Tür.
    »Gehen wir.« Sie löste meinen Gurt und griff nach meiner Tasche. Eine Welle der Panik schwappte über mich hinweg.
    »Ich muss telefonieren«, sagte ich. »Ich muss dringend etwas erledigen.« Ich wusste nicht, was ich sagte. Eine aus Verzweiflung geborene Energie trieb mich voran. »Ich brauche etwas Zeit.«
    Cathys Gesichtsausdruck zeigte eine Mischung aus Angst und Entschlossenheit. »Junge Dame«, sagte sie angespannt, »raus aus dem Auto und ins Haus, sofort.«
    Ich kletterte vom Rücksitz und blickte in der Garage umher, während ich wie eine Irre weiterplapperte. »Es ist schwer zu erklären«, sagte ich. »Ich muss mich um ein paar Sachen kümmern.«
    Dan packte mich am Ellbogen und zog mich ins Haus. Im nächsten Moment legte Cathy ihren Arm um meine Taille und führte mich in

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