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Silberlicht

Silberlicht

Titel: Silberlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Whitcomb
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Uniformierten hinter dem Empfangstresen sprach. Ein halbes Dutzend Besucher saß auf weißen Plastikstühlen um einen niedrigen Tisch, der mit zerfledderten Zeitschriften bedeckt war: schwarze Männer mittleren Alters in Bowling-Shirts, eine große Frau mit einer riesigen Handtasche und ein blasses Mädchen mit einem Pflaster über einem Auge.
    Eine Wache kam und begleitete einen der Männer. Der Mann am Empfang schüttelte den Kopf, doch James gab nicht auf. Ich stand so nahe an der Tür, dass Mitch fast in mich hineingerannt wäre, als er in die Halle stürmte.
    Er trug Jeans und Stiefel, oben herum war er jedoch nur mit einem Unterhemd bekleidet und sah aus, als ob er in großer Eile das Haus verlassen hätte. Er packte James grob am Arm, doch der verzog keine Miene. Ich hörte Mitch wütend flüstern, doch ich konnte die Worte erst verstehen, als die beiden sich der Eingangstür näherten.
    »Bist du total verrückt geworden?«
    »Ich muss ihn sehen«, sagte James.
    Als Mitch sich seinem Bruder in den Weg stellte, konnte ich zum ersten Mal sein Gesicht sehen. »Du redest nicht mit mir? Du läufst einfach weg?« Wie im Zorn waren seine Hände in die Hüften gestützt, doch ich sah, dass seine Handgelenke zitterten. Kein Zorn.
    James flüsterte etwas, das ich nicht hören konnte.
    »Wenn du nach verdammten Antworten suchst, dann habe ich eine«, sagte Mitch. »Sag der Polizei, was die beiden Mistkerle getan haben. Ich kann nicht glauben, dass du sie deckst.«
    Wieder sprach James zu leise, als dass ich ihn hätte hören können.
    Mitch vergrub das Gesicht in seinen Händen. »Scheiße!«
    Die anderen Besucher beobachteten die beiden neugierig. Mitch ging zum Empfangsschalter zurück, klappte seine Brieftasche auf und zeigte dem Beamten seinen Führerschein. Widerstrebend unterschrieb er auf einem Klemmbrett. James stellte sich neben ihn, mich hatte er offensichtlich vergessen. Ich wünschte, ich hätte Jennys Kamera dabei. Ich wollte James’ Hinterkopf fotografieren, die Art, wie sein Haar in dunklen Pfeilen über seinem feuchten Nacken hing.
    »Vielleicht tut es dir ja gut«, knurrte Mitch. »Dann siehst du mal, wie es da drinnen ist.«
    Ein Wachmann näherte sich ihnen, und Mitch packte James’ am Hemd, als wolle er ihn gewaltsam in die Zelle seines Vaters zerren. James legte den Arm um seinen Bruder, der sich sichtlich entspannte, als James’ gespreizte Hand auf seinem Rücken zu liegen kam. Sie gingen mit dem Wachmann mit, und kurz bevor sie um die Ecke bogen, sah ich noch, wie Mitchs große Hand den Hinterkopf seines Bruders schützend umfasste.
    Ich wollte mich gerade hinsetzen und eine Zeitschrift in die Hand nehmen, als mich jemand ansprach.
    »Jenny?«
    Ich blickte auf und sah einen großen Polizisten mit einem hellen Schnurrbart, der eine Akte in der Hand hielt. Irgendwie kam er mir bekannt vor.
    »Was tust du denn hier?«, fragte er.
    »Der Vater meines Freundes …«, begann ich, doch dann wusste ich nicht weiter.
    »Wo sind deine Eltern?«
    »Ich bin mit meinem Freund hier«, sagte ich.
    »Warum bist du nicht in der Schule?«
    Ich öffnete den Mund, um … ja, was … zu sagen. Dass ich die Schule nicht länger besuchen durfte, weil ich eine Affäre mit meinem Englischlehrer hatte?
    Seine Freundlichkeit kühlte merklich ab. Auf seinem Namensschild stand Redman – der Polizist von dem Gemeindepicknick, der Dan einen Gefallen getan hatte. Er hatte die Telefonverbindungen überprüft und herausgefunden, dass ich Mr. Brown angerufen hatte. »Warte hier«, wies er mich an.
    Ich hätte davonrennen können, doch ich musste ja auf James warten. Officer Redman wechselte ein paar Worte mit dem Pförtner und lieh sich sein Telefon. Ich konnte nicht jedes Wort seiner Unterhaltung hören, doch er lachte laut auf, als er sagte: »Dann schau lieber noch mal nach. Ich würde sagen, sie ist aufgewacht.«
    Mein Mund wurde trocken, als er zurückkam und dreinblickte wie ein Arzt, der einem gleich sagen würde, wie lange man noch zu leben hatte.
    »Ich fahre dich heim.«
     
    Der Anschnallgurt in Officer Redmans Streifenwagen roch nach Tabak und Pfefferminz. Auch wenn er mich vorne sitzen ließ, kam ich mir wie eine Verbrecherin vor und umklammerte den Gurt mit beiden Händen. Die ganze Fahrt über blieb er vollkommen ruhig und wollte nicht mal etwas über meinen ominösen Gefängnisbesuch wissen. In Jennys Auffahrt öffnete er mir die Tür. Cathy wartete im Haus auf mich, Dan auf der Veranda. Officer Redman

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