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Silberlinge

Silberlinge

Titel: Silberlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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Schritte weiter von der Leitung entfernen, ehe ich die Beine wieder unter Kontrolle hatte.
    Eine weitere magische Entladung baute sich auf und erzeugte einen Windstoß. Bevor ich den Ursprung ausgemacht hatte, stieß Susan mich schon zur Seite, und als ich hinfiel, ertönte direkt hinter mir ein lautes Krachen. Ein Ast, so dick wie mein Oberschenkel, war von dem alten Baum hinter meiner Behausung abgebrochen und herübergeflogen.
    Ich konnte spüren, wie sich der Fluch weiter aufbaute und nach mir griff. Er war sehr stark, und ich war nicht sicher, ob die Schwelle meiner Wohnung und meine üblichen Wachsprüche ihn abhalten konnten. Eilig warf ich die Tür hinter mir zu und schloss ab. Im Dunkeln tastete ich nach dem Korb neben dem Eingang. Darin fand ich einen wächsernen Klumpen in der Größe meiner Faust, den ich fest auf die Fuge zwischen Tür und Rahmen presste. Dann sammelte ich meine ganze Willenskraft. »Flickum bicus«, rief ich und gab die Magie frei. Der Docht begann mit einer weißen Flamme zu brennen, und gleichzeitig flammten im Wohnzimmer zwei Dutzend weitere Kerzen aus weißem und honigfarbenem Wachs auf, die alle mit reinweißer Flamme brannten. Dabei spürte ich die Schwingungen meiner eigenen Magie, als der schon vor Monaten vorbereitete Spruch ein Bollwerk um meine Wohnung errichtete. Wieder baute sich draußen der Fluch auf, doch nun hämmerte er ungefährlich gegen meine Barriere. Der böse Energiestoß lief ins Leere.
    »Mein lieber Schlangenmann«, schnaufte ich. »Das kannst du dir jetzt in den Schuppenarsch stecken und in der Pfeife rauchen.«
    »Einzeilige Kommentare von Actionhelden funktionieren nicht besonders gut, wenn du die Metaphern vermischst«, warnte mich Susan keuchend.
    »Zu dumm, dass es noch keinen Film über mich gibt.«
    »Hast du ihn ausgeschaltet?«, wollte sie wissen.
    »Ich habe ihm gewissermaßen die Tür vor der Nase zugeschlagen. Vorläufig müssten wir in Sicherheit sein.«
    Susan kam langsam wieder zu sich, während sie die brennenden Kerzen betrachtete. Sie wirkte jetzt offener und irgendwie traurig. Hier hatten wir oft im Kerzenschein gegessen oder dieses und jenes getan. Ich betrachtete sie, wie sie da gedankenverloren im Raum stand. Die Tätowierungen haben sie verändert, dachte ich. Ihre Proportionen und Gesichtszüge kamen mir auf einmal ein wenig exotisch vor.
    »Hast du Durst?«, fragte ich. Frustriert sah sie mich an, und ich hob abwehrend beide Hände. »Tut mir leid, das war taktlos.«
    Sie nickte und wandte sich ein wenig von mir ab. »Schon gut.«
    »Eine Cola?«
    »Gern.«
    Ich hinkte zur Eiskiste, die ich bald mit frischem Eis füllen musste. Momentan hatte ich nicht genug Energie, um das Wasser mit Hilfe der Magie zu gefrieren. Ich öffnete zwei Dosen Cola und gab eine an Susan weiter. Sie nahm einen großen Schluck, ich folgte ihrem Beispiel.
    »Du humpelst ja«, sagte sie.
    Ich starrte meine Füße an. »Kein Wunder, mir fehlt ein Schuh.«
    »Du bist verletzt.« Ihr Blick fiel auf mein Bein. »Du blutest.«
    »Ist nicht so schlimm. Ich wasche mich gleich.«
    Susans Blick schwankte nicht, doch ihre Augen wurden dunkler. »Soll ich dir helfen?«, fragte sie leise.
    Vorsichtshalber drehte ich mich, damit sie das verletzte Bein nicht sehen konnte. Sie schauderte und bemühte sich nun auch selbst, nicht mehr hinzusehen. Die Tätowierungen waren inzwischen heller – nicht schwächer, sie hatten die Farbe gewechselt. »Tut mir leid. Harry, ich sollte jetzt wohl lieber aufbrechen.«
    »Das geht nicht«, widersprach ich.
    Sie antwortete leise, fast tonlos. »Du verstehst es nicht. Ich werde dir bald alles erklären. Das verspreche ich dir. Aber jetzt muss ich gehen.«
    Ich räusperte mich. »Äh, nein, du verstehst es nicht. Du kannst nicht hinaus. Es ist nicht möglich. Ganz wörtlich.«
    »Warum nicht?«
    »Die Barrieren, die ich aktiviert habe, wirken in beide Richtungen und lassen sich nicht abschalten. Wir können nicht hinaus, bis sie abklingen.«
    Susan betrachtete mich und verschränkte die Arme vor der Brust. »So ein Mist. Wie lange?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe sie so eingerichtet, dass sie ungefähr acht Stunden halten. Der Sonnenaufgang wird sie allerdings schwächen. Vier Stunden vielleicht, höchstens fünf.«
    »Fünf Stunden«, sagte sie gepresst. »Oh mein Gott.«
    »Was ist los?«
    Sie machte eine unbestimmte Geste. »Ich habe… einen Teil der Kraft benutzt, um schneller und stärker zu sein. Wenn ich ruhig bin, wird sie

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