Silberlinge
schon mal gemacht, wenngleich bei höchstens einem Fünftel unserer jetzigen Geschwindigkeit.
Allerdings hatte Susans listiges Lächeln noch etwas anderes, etwas Dunkles und Tiefes in mir angesprochen. Irgendeinen wilden, waghalsigen Anteil, der schon immer die Gefahr und die Erregung ausgekostet hatte und darauf brannte, sich in den vielfältigen tödlichen Situationen zu bewähren, in die ich geriet. Der Tanz am Rande des Abgrunds weckte eine Lebendigkeit in mir, die ich sonst nirgends finden konnte, und ein Teil von mir (ein dummer, verrückter, aber zweifellos mächtiger Teil) vermisste diese Spannung, sobald sie abgeklungen war.
Dieses wilde Tier bäumte sich nun in mir auf, und mein Lächeln entsprach dem, was ich bei Susan entdeckt hatte. Ich nahm ihre Hand, und gleich darauf sprangen wir aus dem Auto. Ich lachte dabei wie ein Irrer.
24. Kapitel
Susan zog mich fest an sich, was ich mir aus reiner Höflichkeit gefallen ließ. Sie legte mir einen Arm um den Nacken und schirmte so meinen Hinterkopf und das Genick ab. Sie prallte zuerst auf den Boden, wir überschlugen uns, federten wieder hoch und rollten weiter. Die Aufschläge waren hart, doch ich war nur ein einziges Mal unten. Susan drehte sich jedes Mal blitzschnell zum Boden, so dass ich die Erschütterungen nur indirekt durch ihren Körper spürte.
Zwei Häuser vor meinem Eingang blieben wir auf einem winzigen Rasenstück vor einem heruntergekommenen Mietshaus liegen. Einige Sekunden später rasten unsere Verfolger vorbei. Ich zog den Kopf ein, bis sie wieder verschwunden waren, und betrachtete Susan, die leise keuchend unter mir lag. Sie hatte ein Bein abgeknickt und hielt damit meine Oberschenkel fest. In ihren dunklen Augen blitzte es, und ihre Hüften zuckten, was mich an viele erfreulichere Gelegenheiten erinnerte, bei denen ich diese Reaktion auf meine Nähe gespürt hatte.
Ich wollte sie küssen. Sofort. Doch ich hielt mich zurück. »Alles klar?«, fragte ich sie.
»Du beklagst dich gar nicht«, erwiderte sie etwas atemlos. »Mir geht’s gut. Und dir? Bist du verletzt?«
»Nur mein Ego«, erklärte ich. »Deine Superkräfte und das alles ist mir irgendwie peinlich.« Ich stand auf, bot ihr die Hand und zog sie hoch. »Wie soll man da nicht an seiner Männlichkeit verzweifeln?«
»Du bist ein großer Junge, dir wird schon was einfallen.«
Nickend sah ich mich um. »Wir sollten besser sofort von der Straße verschwinden.«
»Entspricht es deinen Vorstellungen von Männlichkeit, wenn wir jetzt weglaufen und uns verstecken?«
Wir gingen zu meiner Wohnung. »Falls wir dabei überleben, unbedingt.«
Sie nickte. »Praktisch ist es, aber ich bin mir nicht sicher, ob es auch maskulin ist.«
»Halt den Mund.«
»Na bitte, geht doch«, erwiderte Susan.
Schon nach zwei Schritten spürte ich den Spruch. Es begann mit einer kaum wahrnehmbaren Gänsehaut im Nacken, dann zuckten meine Augen, bis mein Blick fast von selbst zum Dach des Mietshauses wanderte, vor dem wir standen. Aus dem Schornstein lösten sich zwei Ziegelsteine. Ich zog Susan sofort zur Seite. Im nächsten Moment zerschellten die Ziegelsteine vor ihr auf dem Boden, und eine rote Staubwolke stieg auf. Erschrocken blickte Susan nach oben. »Was war das?«
»Ein Entropiefluch«, murmelte ich.
»Was für ein Ding?«
Nervös versuchte ich zu erkunden, aus welcher Richtung der nächste magische Ausbruch kommen könnte. »Eine Art Unglücksspruch. Eine wirklich böse, gemeine Verwünschung. Diese Art von Magie setzt man ein, um jemanden loszuwerden, der einem auf die Nerven geht.«
»Wer steckt dahinter?«
»Wenn ich raten sollte, würde ich auf den Schlangenmann tippen. Er besitzt anscheinend eine gewisse Begabung und hat vielleicht sogar ein bisschen Blut von mir gefunden, das ihm bei der Konzentration hilft.« Rechts von mir erfolgte ein weiterer Energieausbruch, und mein Blick wanderte zu den Stromleitungen über uns. »Verdammt, lauf!«
Susan und ich rannten los. Hinter uns rissen die Leitungen mit lautem Knacken, und das lose Ende des Kabels peitschte, indem es eine Bahn von blauen und weißen Funken hinter sich herzog, zu der Stelle, wo wir gerade noch gestanden hatten. Nach dem Genuss von Nikodemus’ Gastfreundschaft war meine Kleidung noch nicht getrocknet. Hätte es geregnet, dann hätte mich der Stromschlag töten können. So spürte ich jedoch nur ein leichtes Kribbeln in den Beinen. Beinahe wäre ich gestürzt, konnte mich aber noch ein paar stolpernde
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