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Silberlinge

Silberlinge

Titel: Silberlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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auch nicht angeregt, aber ich war nicht ruhig. Sie baut sich in mir auf wie das Wasser hinter einem Damm. Sie will sich befreien und durchbrechen.«
    Ich leckte mir nervös über die Lippen. Wenn Susan die Kontrolle über sich verlor, gab es kein Entkommen. »Wie kann ich dir helfen?«
    Sie schüttelte den Kopf und wollte mich nicht ansehen. »Ich weiß es nicht. Lass mich etwas ausruhen und mich entspannen.« Ein kalter, gieriger Ausdruck trat in ihre Augen. »Wasch dir das Bein. Ich kann das Blut riechen. Es… es lenkt mich ab.«
    »Dann kümmere dich ums Feuer«, sagte ich, ging durchs Schlafzimmer ins Bad und schloss beide Türen hinter mir. Mein Verbandkasten stand griffbereit auf dem Regal. Ich schluckte zwei Schmerztabletten, zog die Überreste des geliehenen Smokings aus und säuberte die Wunde am Bein. Es war kein tiefer Schnitt, aber gut fünfzehn Zentimeter lang, und er hatte stark geblutet. Mit desinfizierender Seife und kaltem Wasser wusch ich die Wunde aus, dann verteilte ich ein keimtötendes Gel darauf und legte mehrere Mullbinden darüber, um die Wunde zu schließen. Es tat nicht weh, jedenfalls nicht mehr als all die anderen Stellen und Körperteile, die Schmerzsignale aussandten.
    Schaudernd zog ich ein T-Shirt, ein Sweatshirt und einen Flanellbademantel an. Dann sah ich mich im Bad um und entdeckte ein paar andere Dinge, die ich für schlechte Tage vorbereitet hatte. Schließlich steckte ich einen der Tränke, die ich gebraut hatte, um das Gift des Roten Hofs zu neutralisieren, in die Tasche. Ich vermisste mein Schildarmband.
    Als ich die Tür zum Wohnzimmer öffnete, stand Susan direkt davor. Ihre Augen waren völlig schwarz, nichts Weißes war mehr zu erkennen, und die Tätowierungen flackerten dunkelbraun.
    »Ich kann dein Blut immer noch riechen«, flüsterte sie. »Du musst mich irgendwie zurückhalten, Harry. Sofort.«

25. Kapitel
     
     
     
    Meine magischen Kräfte waren so gut wie erschöpft. Das würde sich auch nicht ändern, wenn ich nicht bald ausruhen und das wiederaufbauen konnte, was Nikodemus mir genommen hatte. Einen normalen Menschen hätte ich mit einem Spruch mühelos abwehren können, jedoch keinen hungrigen Vampir. Genau das war Susan jetzt. Sie war in mehr als nur körperlicher Hinsicht viel stärker geworden, und damit ging zwangsläufig auch ein gewisses Maß an Immunität gegen magische Angriffe einher, selbst wenn ihr nichts als der nackte Wille blieb. Die Schlangenwolke war ein ausgesprochen hässlicher Spruch gewesen, der Susan jedoch kaum gebremst hatte.
    Wenn sie auf mich losging, und es sah ganz so aus, als stünde sie kurz davor, dann konnte ich sie nicht aufhalten.
    Mein Motto, und das hat sich in den letzten Jahren mehrfach bewährt, ist es, stets gut vorbereitet zu sein. Ich hatte etwas, mit dem ich sie fesseln konnte – vorausgesetzt, ich kam an ihr vorbei bis zur Schublade, in der ich es aufbewahrte.
    »Susan«, sagte ich leise, »bitte bleib bei mir. Rede mit mir.«
    »Ich will jetzt nicht reden«, sagte sie, schloss halb die Augen und atmete langsam ein. »Ich will nicht, dass es so gut riecht. Dein Blut, deine Angst. Aber so ist es.«
    »Die Bruderschaft.« Ich bemühte mich, meine Emotionen zu zügeln. Auch um ihretwillen durfte ich keine Angst zeigen. Ich näherte mich ihr noch ein Stück. »Wir wollen uns setzen, dann kannst du mir etwas über die Bruderschaft erzählen.«
    Zuerst dachte ich, sie wollte nicht nachgeben, doch dann willigte sie ein. »Die Bruderschaft«, sagte sie. »Die Bruderschaft von Saint Giles.«
    »Saint Giles«, überlegte ich. »Der Patron der Leprakranken.«
    »Und aller anderen Ausgestoßenen, die so sind wie ich.«
    »Infiziert, meinst du?«
    »Ja. Zur Hälfte verwandelt, noch halb menschlich und schon halb tot. Es gibt viele Möglichkeiten, es auszudrücken.«
    »Oh«, erwiderte ich. »Was wollen sie denn?«
    »Die Bruderschaft versucht, den Menschen zu helfen, die der Rote Hof verletzt hat. Sie arbeitet gegen den Roten Hof und stellt ihn bloß, wo immer es möglich ist.«
    »Suchen sie auch ein Heilmittel?«
    »Es gibt keins.«
    Ich legte ihr eine Hand auf den Arm und führte sie zum Sofa. Sie folgte mir zögernd wie im Traum. »Welche Rolle spielen die Tätowierungen? Sind sie eine Art Mitgliedsausweis?«
    »Sie binden mich«, sagte sie. »Ein Spruch, der mir in die Haut eingraviert wurde, um das Dunkle gefangen zu halten und mich zu warnen, wenn es herauswill.«
    Sie zeigte mir ihre Hand. Dort und auf ihrem Gesicht

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