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Silberlinge

Silberlinge

Titel: Silberlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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und strahlte uns an. Er war immer noch der alte, kleine, stämmige und kahlköpfige Vater Forthill, doch hinter der goldenen Brille wirkten seine Augen erschöpft und müde. Die Falten in seinem Gesicht waren tiefer, als ich sie in Erinnerung hatte. »Hallo, Harry.«
    »Vater«, sagte ich. »Susan kennen Sie sicher schon?«
    »Nur vom Hörensagen.« Er betrachtete meine Begleiterin nachdenklich. »Kommt rein, kommt rein.«
    Sobald wir eingetreten waren, stellte Forthill einen Baseballschläger in eine Ecke. Ich zog die Augenbrauen hoch und wechselte einen Blick mit Susan, dann stellte ich den Stab und Shiros Stock ab. Wir folgten Forthill in die Küche.
    »Wo ist Charity?«, fragte ich.
    »Sie bringt die Kinder zu ihrer Mutter und müsste bald zurück sein«, antwortete Forthill.
    Erleichtert atmete ich aus. »Und Anna Valmont?«
    »Sie schläft im Gästezimmer.«
    »Ich muss dringend Martin anrufen, bitte entschuldigt mich«, sagte Susan. Sie zog sich in das kleine Arbeitszimmer zurück.
    »Kaffee und Donuts?«, bot Vater Forthill an.
    Ich setzte mich an den Tisch. »Vater, Sie waren nie näher daran als jetzt, mich zum Übertritt zu bewegen.«
    Er lachte. »Der unwiderstehliche Forthill rettet eine Seele pro Donut.« Er reichte mir den Nektar der Götter in den Beuteln und Styroporbechern von Dunkin Donuts und bediente sich ebenfalls. »Ich habe schon immer Ihre Fähigkeit bewundert, im Angesicht des Feindes zu scherzen. Die Lage ist ernst.«
    »Das ist mir schon klar«, antwortete ich, während ich ein Donut mit Glasur verdrückte. »Wo steckt Michael?«
    »Er und Sanya sind nach St. Louis gefahren, um eventuellen Aktivitäten der Denarier auf den Grund zu gehen. Die örtliche Polizei hat die beiden verhaftet.«
    »Was? Warum denn das?«
    »Es gab keine Anklage«, erklärte Forthill. »Sie wurden verhaftet, vierundzwanzig Stunden eingesperrt und danach wieder freigelassen.«
    »Ein Trick«, überlegte ich. »Irgendjemand wollte sie vorübergehend ausschalten.«
    Forthill nickte. »So sieht es aus. Ich habe vor etwa zwei Stunden mit ihnen gesprochen. Sie sind auf dem Rückweg und dürften bald eintreffen.«
    »Sobald sie hier sind, müssen wir Shiro retten.«
    Forthill nickte mit gerunzelter Stirn. »Was ist Ihnen letzte Nacht zugestoßen?«
    Er bekam die Kurzversion – alles über die Auktion und die Denarier, jedoch keine Einzelheiten über die folgenden Ereignisse, die seine keusche Moral erschüttert hätten. Nebenbei bemerkt, hätte es mich auch selbst in Verlegenheit gebracht. Ich bin zwar nicht besonders religiös, aber der Mann war immerhin ein Priester.
    Nachdem ich geendet hatte, nahm Forthill die Brille ab und sah mich scharf an. Er hatte himmelblaue Augen und einen durchdringenden Blick. »Nikodemus«, sagte er leise. »Sind Sie sicher, dass er sich so genannt hat?«
    »Ja.«
    »Kein Zweifel möglich?«
    »Nein. Wir haben uns eine ganze Weile unterhalten.«
    Forthill faltete die Hände und atmete langsam aus. »Heilige Mutter Gottes. Könnten Sie ihn mir bitte beschreiben?«
    Der alte Priester lauschte aufmerksam, als ich seiner Aufforderung nachkam. »Oh, und er hat die ganze Zeit ein Seil um den Hals getragen. Nicht sehr dick, sondern schmal und dünn wie ein Stoffstreifen. Ich habe es zuerst für eine Schnurkrawatte gehalten.«
    Forthills Finger wanderten nach oben zum Kruzifix an seinem Hals. »Zu einer Schlinge gebunden?«
    »Ja.«
    »Welchen Eindruck hatten Sie von ihm?«
    Nachdenklich betrachtete ich mein halbgegessenes Donut. »Er hat mir eine höllische Angst eingejagt. Er ist… ich würde sagen, ein übler Kerl, mit ihm stimmt etwas nicht.«
    »Böse ist das Wort, das Sie suchen.«
    Da konnte ich nicht widersprechen. Ich zuckte mit den Achseln und aß den Rest des Donuts.
    »Nikodemus ist ein alter Widersacher der Ritter vom Kreuz«, fuhr Forthill leise fort. »Wir wissen nicht sehr viel über ihn, aber alle paar Jahrhunderte findet und zerstört er unsere Archive. Niemand weiß, wer er ist und wie lange er schon lebt. Möglicherweise wandelte er schon auf Erden, als der Erlöser gekreuzigt wurde.«
    »Er ist mir keinen Tag älter als fünfhundert vorgekommen«, murmelte ich. »Warum hat ihm nicht längst schon einmal ein Ritter erklärt, dass er sich benehmen soll?«
    »Das haben sie durchaus versucht«, erwiderte Forthill.
    »Trotzdem hat er überlebt?«
    Vater Forthills Augen und seine Stimme blieben ruhig. »Er hat sie getötet. Alle. Mehr als einhundert Ritter, mehr als tausend

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