Silberlinge
vorn.«
Sie schüttelte den Kopf. »Harry, als ich mit Shiro hinuntergestiegen bin, konnte ich nicht viel sehen. Aber ich hörte ihre Stimmen in den Gängen. Es war…« Sie schloss einen Moment die Augen, als wäre ihr übel. »Es ist schwer zu erklären. Ihre Stimmen hinterließen einen starken Eindruck bei mir. Shiro klang wie… ich weiß nicht. Wie eine Trompete. Klar und laut. Der andere… seine Stimme war übel, sie klang nach Verwesung und Fäulnis.«
Mir war nicht klar, wie Susan auf diese Beschreibung kam. Vielleicht war es eine Folge dessen, was die Vampire ihr angetan hatten, oder sie hatte es in den Tai-Chi-Kursen gelernt. Vielleicht auch reine Intuition. Allerdings verstand ich genau, was sie meinte. Nikodemus hatte irgendetwas an sich – er war ruhig, sogar lautlos, und sehr gefährlich. Geduldig und von einer Bösartigkeit, die über jedes menschliche Begriffsvermögen hinausging. Ich hatte eine Heidenangst vor ihm.
»Ich weiß, was du meinst. Nikodemus ist kein irregeleiteter Idealist oder ein gieriger Kerl, der nur aufs Geld aus ist. Er ist anders.«
Susan nickte. »Böse.«
»Und er meint es ernst. Bist du bereit?« Ich war nicht sicher, ob ich die Frage an Susan oder an mich selbst gerichtet hatte.
Sie zog ihre Jacke an, dann gingen wir zur Tür.
»Das einzig Störende an dem Mantel war, dass ich nie deinen Hintern sehen konnte«, überlegte sie.
»Das ist mir noch gar nicht aufgefallen.«
»Harry, wenn dir dein eigener Arsch so wichtig wäre, dann würde ich mir ernsthaft Sorgen machen.«
Sie erwiderte mein Lächeln, als ich mich umdrehte.
Es hielt nicht lange, gleich darauf wurden wir beide wieder traurig.
»Susan«, begann ich.
Sie legte mir zwei Fingerspitzen auf die Lippen. »Nicht.«
»Verdammt, gestern Abend…«
»Das hätte nicht passieren dürfen«, erwiderte sie. Es klang müde, doch sie wich meinem Blick nicht aus. »Es…«
»Es ändert nichts«, beendete ich den Satz. Selbst in meinen Ohren klang es verbittert.
Sie knöpfte ihre dunkle Lederjacke zu.
»Na, dann«, sagte ich. Ich hätte mich doch lieber aufs Fachsimpeln beschränken sollen. »Das Taxi wartet schon«, fügte ich hinzu, nachdem ich hinausgespäht hatte. »Lass uns an die Arbeit gehen.«
27. Kapitel
Ich schnappte mir meinen Stab, den Sprengstock und Shiros Schwertstock und nahm mir vor, bei nächster Gelegenheit mal einen Golfsack zu kaufen. Wir fuhren mit dem Taxi zum McAnnally’s. Der blaue Käfer stand auf dem Parkplatz und war weder gestohlen, verdampft noch sonst wie misshandelt worden.
»Was ist mit der Heckscheibe passiert?«, wollte Susan wissen.
»Einer von Marcones Killern hat vor Larry Fowlers Studio auf mich geschossen.«
Ihre Mundwinkel zuckten. »Warst du etwa schon wieder bei Larry Fowler?«
»Ich will nicht darüber reden.«
»Ach so. Was ist mit der Kofferraumhaube?«
»Die kleinen Löcher sind von Marcones Killer, die große Beule ist von einem Chlorofeind.«
»Was ist das denn für ein Ding?«
»Ein Pflanzenmonster.«
»Oh. Warum sagst du das nicht gleich?«
»Ich habe auch meinen Stolz.«
»Das arme Auto.«
Ich zog die Schlüssel aus der Tasche, doch Susan hielt mich zurück und umkreiste den Wagen, wobei sie zweimal niederkniete und darunterschaute. »Alles klar«, sagte sie schließlich. Ich stieg ein. »Danke, Nullnullsieben, aber niemand jagt einen Käfer in die Luft. Die Dinger sind viel zu niedlich.«
Susan stieg neben mir ein. »Wenn du nicht aufpasst, bist du bald niedliches Konfetti, Harry.«
Knurrend gab ich Gas, und dann tuckerten wir zu Michaels Haus.
Es war ein kalter, klarer Morgen. Der Winter hatte seine Herrschaft über die Großen Seen noch nicht ganz aufgegeben, und was der Michigansee erlebte, das traf auch Chicago. Susan stieg als Erste aus und betrachtete durch ihre schwarze Sonnenbrille die Wiese vor Michaels Haus. »Wie schafft er es nur, dieses Haus so gut in Schuss zu halten, eine Firma zu leiten und nebenbei noch Dämonen zu jagen?«
»Wahrscheinlich sieht er sich diese Freizeitgärtnersendungen an.«
Sie runzelte die Stirn. »Wir haben Februar, und das Gras ist grün. Kommt dir das nicht auch irgendwie seltsam vor?«
»Des Gärtners Wege sind unergründlich.«
Sie gab ein ersticktes Geräusch von sich und folgte mir zur Vordertür.
Ich klopfte an, und gleich darauf fragte Vater Forthill: »Wer ist da?«
»Donny und Marie«, antwortete ich. »Salt-N-Peppa haben uns gebeten, für sie einzuspringen.«
Er öffnete die Tür
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