Silberlinge
klein. Susan schaltete ihn ein und suchte den richtigen Sender.
Bei einer lokalen Station hielt sie inne. Dort lief in den Nachrichten gerade eine Direktübertragung aus einem Hubschrauber, der über einem brennenden Gebäude kreiste. Etwa ein Dutzend Feuerwehrwagen waren dort im Einsatz, dennoch war klar, dass sie das Feuer lediglich eindämmen, nicht aber bekämpfen konnten. Das Gebäude war verloren.
»Was ist das?«, wollte Forthill wissen.
»Verdammt«, knurrte ich und wandte mich aufgebracht ab.
»Das ist das Gebäude, zu dem Shiro uns gestern Abend geführt hat«, erklärte Susan. »Die Denarier hausen in den Tunneln darunter.«
»Jetzt nicht mehr«, fauchte ich. »Sie sind verschwunden und haben sämtliche Spuren verwischt. Verdammt, wie lange hatten sie Zeit? Sechs Stunden? Sie könnten inzwischen wer weiß wo sein.«
»Nikodemus«, sagte Forthill. »Das ist eindeutig sein Stil.«
»Wir werden sie finden«, sagte Susan leise.
»Wie denn?«, fragte ich.
Sie presste die Lippen zusammen, wandte sich ab und telefonierte leise. Was sie sagte, konnte ich nicht verstehen, aber es dauerte nicht lange, bis ich ihrem Tonfall entnehmen konnte, dass sie zufrieden war. Sie trennte die Verbindung. »Was sollen wir tun?«
»Ich kann in die Unterwelt gehen und mir dort einige Antworten holen«, überlegte ich.
»Das müssen Sie nicht«, wandte Vater Forthill ein. »Das ist viel zu gefährlich. Kein Ritter würde wollen…«
Mit einer unwirschen Geste unterbrach ich ihn. »Wir brauchen Informationen, sonst stirbt Shiro. Nicht nur das, wenn wir Nikodemus nicht beizeiten finden, dann kann er seinen üblen Plan mit dem Grabtuch vollenden, was er auch vorhat. Ich muss dringend nach unten, um Antworten zu finden, und ich werde es tun.«
»Was ist mit Michael?«, fragte Susan. »Könnte er vielleicht Shiro so finden, wie Shiro Harry gefunden hat?«
»Nicht unbedingt.« Vater Forthill schüttelte den Kopf. »Sie können diese Gabe nicht kontrollieren. Manchmal wird den Rittern diese Art Wahrnehmung geschenkt, aber sie vermögen es nicht willentlich abzurufen.«
Ich sah auf die Uhr und dachte über die Entfernungen nach. »Wann müssten Michael und Sanya hier eintreffen? In einer Stunde oder so?«
»Falls sie nicht auf weitere Schwierigkeiten stoßen«, meinte Forthill.
»Gut. Wir werden ja sehen, ob die Seite der Engel sich einschalten will. Wenn nicht, rufe ich Chauncy, sobald die Sonne untergeht.« Ich nahm Susan das Telefon ab und ging nach nebenan.
»Wo willst du hin?«
»Ich muss mit Anna Valmont reden, und danach rufe ich meinen Klienten an. Falls ich wider Erwarten überleben sollte, will ich wenigstens den Eindruck erwecken, ich hätte mich wie ein Profi verhalten.«
Charitys Gästezimmer hatte sich im Laufe der Zeit in einen Dschungel aus Stoffresten verwandelt. Durchsichtige Kästen mit Fetzen in allen Farben waren an einer Wand gestapelt, auf einem Tisch stand eine kleine Nähmaschine, kaum zu erkennen unter all den Stapeln von ordentlich gefaltetem Tuch. Weitere Kästen waren rings um das Einzelbett zu einer Art Wall aufgetürmt. Unter einem wirren Haufen von Decken lag jemand. Ich schaltete die kleine Lampe auf dem Nähtisch ein und hoffte, der Raum möge nicht gleich in Flammen aufgehen. »Anna, aufwachen.«
Der Haufen brummte etwas und regte sich kurz, dann war alles wieder ruhig.
Ich schaltete das Telefon ein und ließ den Wählton die Stille des Raumes durchbrechen. »Ich weiß, dass Sie wach sind, Miss Valmont, und Sie wissen, dass ich Ihnen im Marriott das Leben gerettet habe. Wenn Sie sich jetzt nicht sofort aufrichten und mit mir sprechen, rufe ich die Polizei an und sage denen, wo Sie zu finden sind.«
Als sie sich immer noch nicht rührte, wählte ich eine Nummer und ließ sie das Freizeichen hören.
»Bastard«, murmelte sie mit ihrem britischen Akzent, doch immerhin setzte sie sich auf, beäugte mich ängstlich und zog die Decke hoch. Ihre Schultern waren nackt. »Also gut. Was wollen Sie?«
»Erst mal meinen Mantel«, begann ich. »Da Sie ihn offenbar nicht unter der Decke versteckt haben, reicht mir ersatzweise auch die Bestätigung, dass Marcone den Diebstahl in Auftrag gegeben hat.«
Sie starrte mich an, schließlich sagte sie: »Wenn ich Ihnen das sage, könnte es mein Tod sein.«
»Wenn nicht, liefere ich Sie der Polizei aus.«
Sie zuckte die Achseln. »Das wäre unangenehm, aber es bringt mich nicht um. Außerdem wollen Sie mich sowieso anzeigen.«
»Vergessen Sie nicht,
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