Silberlinge
Ritter, ewig dankbar sein, dass du mich von diesen Qualen erlöst hast.«
Verdammt, er spielte den Geläuterten. Ich warf einen Blick zu Michael.
Der große Mann musterte Cassius mit gerunzelter Stirn und ließ ihn nicht aus den Augen, während er ein weißes, mit einem silbernen Kreuz besticktes Taschentuch zückte und die Münze einwickelte. Dann wechselten Michael und Sanya einen langen Blick und steckten die Schwerter weg.
»Äh, hört mal – was denkt ihr euch eigentlich dabei? Wir stehen hier einem gefährlichen dämonischen Mörder gegenüber.«
»Harry«, erwiderte Michael, »wir können ihm nichts mehr tun, nachdem er die Münze aufgegeben und um Gnade gebeten hat.«
»Was? Das ist doch dumm«, entgegnete ich.
»Natürlich ist es das«, stimmte Cassius höhnisch zu. »Sie wissen, dass ich es nicht ehrlich meine. Ich werde mir eine andere Münze beschaffen und fortführen, was ich vor Jahrhunderten begonnen habe.«
Aufgebracht sprang ich auf und warf dabei den Stuhl um. »Michael, wenn du diesem Schweinehund die andere Wange hinhältst, dann wird er dir das Gesicht zerkratzen. Du bist doch die Faust Gottes.«
»Nein, das bin ich nicht«, widersprach Michael. »Die Ritter haben nicht die Aufgabe, jene zu vernichten, die dem Bösen dienen.«
»So ist es.« Cassius zischelte jetzt sogar noch mehr als vorher in seiner Schlangengestalt. »Sie sollen uns retten.«
»Ihr sollt sie retten?« Ich starrte Michael fassungslos an. »Macht er Witze?«
Michael schüttelte den Kopf. »Niemand sonst kann sich den Denariern stellen. Niemand sonst sich mit den Gefallenen messen. Dieser Augenblick könnte die einzige Gelegenheit sein, die Cassius je bekommt, um den Weg zu verlassen, den er eingeschlagen hat.«
»Wie schön. Ich bin sehr dafür, dass er einen neuen Weg einschlägt. Am besten direkt auf den Grund des Michigansees.«
Michael machte ein gequältes Gesicht. »Die Ritter müssen die Freiheit schützen und denjenigen, die unter der Macht der dunklen Kräfte stehen, einen Weg eröffnen, damit sie die Freiheit zurückgewinnen können. Es steht mir nicht zu, über die Seele dieses Mannes zu richten. Ich kann nur meiner Berufung folgen und ihm Hoffnung geben, ihm das Mitgefühl und die Liebe zeigen, mit der die Menschen einander begegnen sollten. Der Rest liegt nicht in meiner Hand.« Cassius’ Miene hatte sich verändert, als er Michaels Worte gehört hatte. Sie war härter geworden, spröder. Verbittert. Michaels Worte hatten ihn berührt. Sicherlich nicht stark genug, um ihn zur Umkehr zu bewegen, doch immerhin so sehr, dass er wütend wurde.
Ich wandte mich an Michael. »Glaubst du wirklich, dieses Biest wird fortan in Mitgefühl zerfließen?«
»Nein«, erwiderte Michael. »Aber das ändert nichts an meinen Absichten. Er hat die Münze aufgegeben und sich damit ihrem Einfluss entzogen. Alles, was nun geschieht, liegt nicht mehr in unserer Hand. Darüber muss Cassius allein entscheiden.«
»Du hast diese Ungeheuer gesehen«, rief ich und baute mich vor Michael auf. »Ich habe die Leichen gesehen, die sie hinterlassen haben. Sie hätten fast mich, Susan und dich umgebracht, ohne auch nur mit einer Wimper zu zucken. Gott allein weiß, was sie mit diesem Fluch vorhaben.«
»Jede Macht hat ihre Grenzen.« Er schüttelte den Kopf. »Hier stoße ich an die meinen.«
Wütend versetzte ich ihm einen Stoß gegen die Schulter.
»Vielleicht haben sie auch Shiro schon umgebracht. Trotzdem willst du diesen Schweinehund laufenlassen?«
Michael fing meinen Arm ab und drehte ihn herum. Er ist ziemlich stark. Ich musste mich auf die Zehenspitzen stellen, um den Druck abzufedern, dann schob er mich fort. Seine Augen waren kalt und hart. Auch er hatte eine Mordswut im Bauch.
»Ich weiß das«, sagte er so leise wie zuvor. »Mir ist klar, dass sie ihm weh tun. Ebenso wusste Shiro, dass Nikodemus sich an keine Absprache halten würde. Gerade das unterscheidet uns von ihnen. Das Blut an ihren Händen gibt mir nicht das Recht, meinerseits Blut zu vergießen. Meine Taten bewerte ich vor meinem eigenen und nicht vor ihrem besudelten Gewissen.« Cassius wich Michaels Blick aus. »Nicht ich habe über seine Seele zu richten, sosehr ich es auch tun möchte.«
»Bei den Toren der Hölle«, murmelte ich. »Wenn ihr alle so idiotisch seid, ist es kein Wunder, dass Nikodemus so viele Ritter getötet hat.«
»Harry…«, begann Michael.
Ich unterbrach ihn. »Sieh ihn dir an, Michael. Er ist kein Opfer. Er hat freiwillig
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