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Silberlinge

Silberlinge

Titel: Silberlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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Die Kugel näherte sich mir unerbittlich, war nur noch einen halben Meter entfernt, zwanzig Zentimeter. Fünfzehn. Kleine Tentakel der tintenschwarzen Energie griffen nach meinen Fingern.
    Ich knirschte mit den Zähnen, sammelte all meine Willenskraft und hielt das Ding zehn Zentimeter vor meiner Hand auf. Dann versuchte ich, meine eigene Kraft aufzubauen, doch Ortega hielt dagegen.
    »Ziehen Sie es nicht in die Länge, mein Junge«, sagte Ortega mit zusammengebissenen Zähnen. »Durch Ihren Tod retten Sie anderen das Leben. Selbst wenn Sie mich töten, meine Vasallen in Casaverde haben geschworen, Sie zur Strecke zu bringen. Sie und jeden, den Sie kennen und lieben.«
    Die Kugel kam noch etwas näher. »Sie sagten, Sie würden niemandem etwas tun, wenn ich mich auf das Duell einlasse«, knurrte ich.
    »Ich habe gelogen«, gab Ortega zu. »Ich bin gekommen, um Sie zu töten und den Krieg zu beenden. Alles andere ist unwichtig.«
    »Drecksack.«
    »Hören Sie auf, sich dagegen zu wehren. Sie können dafür sorgen, dass es schmerzlos verläuft. Wenn Sie mich töten, werden alle hingerichtet. Nur wenn Sie sich ergeben, können Sie Ihre Freunde retten. Ihre Miss Rodriguez. Die Polizisten. Den Privatdetektiv, bei dem Sie gelernt haben. Den Besitzer der Kneipe. Den Ritter und seine Familie. Den alten Mann in den Ozarkbergen. Die Wolfskinder an der Universität. Sie alle.«
    »Jetzt haben Sie was Falsches gesagt«, erwiderte ich und ließ die Wut, die Ortegas Worte in mir entfacht hatten, durch meinen Arm strömen. Auf der Morditkugel tanzten rosarote Funken, und sie schwebte langsam von mir fort.
    Jetzt sah man Ortega die Anstrengung an, sein Atem ging schneller, und seine Augen verdunkelten sich, bis sie völlig schwarz und nicht mehr menschlich waren. Hier und dort liefen Wellen über seine Haut – über die fleischliche Maske, die das einer Fledermaus ähnelnde Ungeheuer verbarg, das er tatsächlich war. Der monströse Ortega, der wahre Ortega regte sich unter der täuschenden menschlichen Hülle. Er hatte Angst.
    Als die Kugel sich ihm näherte, verstärkte Ortega seine Anstrengungen und stieß einen weiteren Kampfschrei aus. Doch die Kugel überwand den Mittelpunkt zwischen uns und schwebte weiter auf ihn zu.
    »Narr«, keuchte Ortega.
    »Mörder«, antwortete ich und stieß die Kugel einen weiteren halben Meter in seine Richtung.
    Er biss die Zähne zusammen, sämtliche Muskeln in seinem Gesicht waren verkrampft. »Sie werden uns alle vernichten.«
    »Mit Ihnen werde ich beginnen.« Wieder rückte die Kugel ein bisschen weiter.
    »Sie sind ein selbstsüchtiger, selbstgerechter Irrer.«
    »Sie ermorden und versklaven Kinder«, erwiderte ich. Die Morditkugel verharrte knapp dreißig Zentimeter vor ihm. »Sie bedrohen die Menschen, die ich liebe.« Wieder ein Stückchen. »Wie fühlt sich das an, wenn Sie zu schwach sind, um sich selbst zu schützen? Wie fühlt es sich an, wenn Sie wissen, dass Sie sterben müssen?«
    Daraufhin breitete sich ein unheimliches Lächeln in seinem Gesicht aus. Seine Schultern zuckten ein wenig, ein Arm hing auf einmal schlaff herab wie eine leere Hülle. Auf seinem Bauch erschien ein kleiner Hügel, als hätte er eine Waffe in einem Übermantel.
    Schockiert starrte ich ihn an. Er hatte seinen echten Arm aus der fleischlichen Maske gezogen und bedrohte mich tatsächlich mit einer Pistole.
    »Wie fühlt sich das an?«, fragte Ortega leise. »Sagen Sie’s mir doch.«

30. Kapitel
     
     
     
    Damit kommen Sie nicht durch.« Ich warf einen raschen Blick zum Pitcher’s Mound. Das Archiv hatte offenbar nichts bemerkt. Meine Willenskraft schwand, und die Morditkugel schwankte hin und her. »Sie werden den Schuss hören und Sie töten.«
    »Gut möglich«, stimmte er zu. »Wie ich schon sagte, ich bin bereit, dies hinzunehmen.«
    Bei seinen Worten lief es mir kalt den Rücken hinunter, und die Morditkugel schoss sofort zu mir herüber. Nur wenige Schritte vor mir fing ich sie ab und hielt sie fest.
    »Ich habe es Ihnen doch gesagt, Dresden, es gibt nur einen Ausgang für diese Angelegenheit. Ich hätte es vorgezogen, wenn Sie als Ehrenmann gestorben wären, aber von mir aus darf es auch auf andere Weise geschehen.«
    Ich starrte die verborgene Pistole an.
    Auf einmal erschien auf Ortegas Brust ein roter Punkt, der langsam nach oben wanderte.
    Offenbar hatte ich unwillkürlich das Gesicht verzogen, denn auch Ortega reagierte und blickte an sich hinab. Der Lichtpunkt der Laserzielerfassung

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