Silberlinge
Mit einem einzigen Hieb schnitt er dem Vampir den Bauch auf, und das Wesen brach zusammen. »Harry, verschwinden Sie!«
»Nein!«, rief ich. »Bringen Sie Susan in Sicherheit!«
Thomas knirschte mit den Zähnen, kehrte aber um und hechtete aufs Dach des Unterstandes an der ersten Base, um von dort aus elegant übers Geländer in die Zuschauerränge zu springen.
Er konnte mir im Moment nicht helfen, und ich hatte keine Zeit, mir etwas anderes zu überlegen. Daher hockte ich mich hin und summte: »Defendre, defendre, defendre.« Ohne mein Schildarmband, das meine Konzentration unterstützte, war es schwer, doch schließlich baute sich meine Energie auf und errichtete zu meiner Verteidigung rings um mich eine undurchdringliche Kuppel.
Die Vampire prallten dagegen und droschen in blinder Wut darauf ein. Jeder von ihnen hätte ohne große Anstrengung mein Auto umwerfen können, und ihre Hiebe gegen meinen Schild hätten Beton zerspringen lassen. Binnen weniger Sekunden war mir klar, dass ich mich nicht lange würde halten können. Sobald mein Schild versagte, würden sie mich buchstäblich in Stücke reißen. Ich schickte all meine Kraft in den Schild und spürte trotzdem, wie er langsam schwächer wurde.
Dann ertönte ein lauter Knall, über mir sauste etwas strahlend Helles vorbei und traf den Kopf eines Vampirs, der sofort in Flammen aufging. Das Ungeheuer fuchtelte hilflos mit den viel zu dünnen Armen und fiel, zappelnd wie ein halb zerquetschter Käfer, auf das Spielfeld. Mein Schild war überlastet und fiel in sich zusammen, und ich konnte nur noch den Kopf einziehen.
Ein weiterer Feuerstoß raste an mir vorbei und äscherte den Kopf eines Vampirs ein. Sie hielten gebückt inne und kreischten verwirrt.
Kincaid hatte sich vor dem Unterstand aufgebaut und ließ gerade ein rauchendes Gewehr fallen. Dann griff er in seinen Golfsack und zog eine neue doppelläufige Flinte heraus. Einer der Vampire sprang ihn an, doch Kincaid war schneller. Er drückte ab, und das Gewehr knallte laut. Eine Flammenzunge schoss heraus und schlug durch den Hals des Vampirs bis zur Bande, in der nun ein Loch in der Größe meines Kopfes klaffte. Als er hinter sich ein Geräusch hörte, fuhr Kincaid herum und erlegte einen weiteren Angreifer, der über die Zuschauerränge heruntersprang. Auch dieser Schuss traf das Gesicht des Vampirs, der sofort in Flammen aufging. Kincaid warf die Waffe weg und zog eine weitere aus dem Golfsack.
Die anderen Vampire gingen geschlossen auf Kincaid los, als er ihnen den Rücken zukehrte.
Jetzt bekamen sie es mit dem Archiv zu tun.
Das Mädchen trat hinter dem Golfsack hervor, zwischen seinen Händen schwebte die Morditkugel. Es gab die Sphäre frei und machte eine einzige kaum sichtbare Bewegung.
Die dunkle Wolke schoss zu den Vampiren und sauste wie ein Vorschlaghammer auf ihre Köpfe herab. Sobald das Mordit die Vampire berührte, entstand ein kaltes purpurnes Licht, die Dunkelheit griff um sich, und die Kugel flog weiter. Hinter ihr blieben Asche und verkohlte Knochen zurück. Dabei bewegte sich die Kugel so schnell, dass ich kaum mit den Augen folgen konnte. In einem Augenblick waren die Vampire noch da, im nächsten waren sie bis auf die Knochen verbrannt.
Schweigen senkte sich über das Stadion. Ich hörte nur noch meinen abgerissenen Atem und das Rauschen meines Blutes in den Ohren. Nervös sah ich mich um, konnte Ortega aber nirgends entdecken. Zwei Vampire, die gleich am Anfang gefallen waren, wanden sich schwach. Kincaid zog die letzte Flinte aus dem Golfsack und erledigte sie mit zwei weiteren Schüssen.
Die Morditkugel schwebte unterdessen sachte zurück und verharrte zwischen den winzigen Händen des Archivs. Die Kleine betrachtete mich eine Weile schweigend. Weder ihrem Gesicht noch ihren Augen war zu entnehmen, was in ihr vorging. Als ich spürte, dass gleich der Seelenblick einsetzen würde, wandte ich mich rasch ab.
»Wer hat als Erster gegen die heiligen Regeln des Duells verstoßen?«, fragte das Archiv.
»Das kann ich nicht sagen«, erwiderte Kincaid. Er atmete nicht einmal schneller. »Allerdings war Dresden dabei zu gewinnen.«
Das Archiv schwieg noch einen Moment, dann sagte es: »Danke, dass ich Ihre Katze streicheln durfte, Mister Dresden. Und vielen Dank für meinen Namen.«
Das klang erschreckend nach einem Lebewohl, doch ich antwortete höflich: »Keine Ursache, Ivy.«
Das Archiv nickte. »Kincaid, das Kästchen, bitte.«
Er stellte die Holzkiste auf den Boden,
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