Silberlinge
geschlossen hatte, angewidert das Gesicht. »Verwesung«, berichtete er. »Wie saure Milch oder Schimmel. Außerdem riecht es nach altem Öl.«
»Wir sind keine zwanzig Meter von einem Pizza Hut entfernt«, erklärte ich ihm nach einem prüfenden Blick in die Runde. »Aber das kann auch Zufall sein.«
»Nein«, widersprach Michael. »Es ist Nikodemus. Er besudelt jeden Ort, an dem er sich aufhält, mit seiner Überheblichkeit, seinem blinden Streben und seiner Verachtung.«
»Ich rieche bloß Schimmel«, gab Sanya zu.
»Du spürst ihn auch«, sagte Michael. »Dein Bewusstsein interpretiert es nur anders. Er ist hier.« Er wollte weiterfahren, doch ein Taxi setzte sich vor uns und lud ein älteres Paar mitsamt den zugehörigen Koffern ab.
Ich murmelte, schnüffelte und tastete sogar mit meinen magischen Sinnen die Umgebung ab, konnte jedoch nichts Ungewöhnliches feststellen – nur das übliche weiße Rauschen von unzähligen Menschen in der Nähe.
Als ich die Augen wieder öffnete, sah ich Detective Rudolphs Nacken vor mir. Wie immer trug er einen teuren Anzug. Neben ihm stand ein dürrer, gut frisierter Beamter, den ich aus dem Büro des Bezirksstaatsanwaltes kannte.
Ich zuckte zusammen, dann schnappte ich mir Sanyas schwarzen Stetson, zog ihn mir tief in die Stirn und machte mich so klein wie möglich.
»Was ist los?«, fragte Michael.
»Die Polizei.« Noch einmal sah ich mich vorsichtig um und bemerkte sieben Uniformierte und etwa zehn weitere Männer, die Zivilkleidung trugen, sich aber bewegten wie Cops. »Ich habe durchsickern lassen, dass heute Abend das Grabtuch ausgeflogen wird.«
»Warum versteckst du dich?«
»Ein Zeuge hat mich bemerkt, als ich den Schauplatz eines Mordes verließ. Wenn jemand mich identifiziert, verbringe ich die nächsten vierundzwanzig Stunden im Verhörraum und kann Shiro nicht helfen.«
Michael runzelte besorgt die Stirn. »Das ist wahr. Weiß die Polizei etwas über die Denarier?«
»Wahrscheinlich nicht. Die Sondereinheit bleibt außen vor, vermutlich heißt es nur, es ginge hier um irgendwelche gefährlichen Terroristen.«
Der Taxifahrer vor uns war endlich fertig, und Michael konnte die Ladezone verlassen und auf den nächsten Parkplatz fahren. »Das ist nicht gut, sie stören uns hier nur.«
»Solange die Polizei in der Nähe ist, sind auch die Denarier behindert. Sie müssen in Deckung bleiben und sich benehmen.«
Michael schüttelte den Kopf. »Die meisten übernatürlichen Wesen haben Hemmungen, einen sterblichen Polizisten zu töten. Für Nikodemus gilt das allerdings nicht. Er empfindet nichts als Verachtung für die sterblichen Autoritäten. Wenn wir ihn stellen, dann wird er jeden vernichten, der ihn aufhalten will. Außerdem nimmt er möglicherweise Geiseln, um uns zu erpressen.«
Sanya nickte. »Ganz zu schweigen davon, dass alle Menschen in Gefahr schweben, wenn dieser Seuchenfluch wirklich so wirkungsvoll ist, wie Sie behaupten.«
»Er ist sogar noch viel schlimmer.«
Michael lenkte den Wagen in eine Parklücke. »Wieso?«
»Forthill hat mir erklärt, die Denarier würden stärker, wenn sie andere Menschen verletzen und Angst und Schrecken verbreiten.«
»Richtig«, bestätigte Michael.
»Der Fluch wird nur wenige Tage anhalten, aber gegenüber dieser Zeit wird der Schwarze Tod erscheinen wie die Masern. Deshalb ist Nikodemus hier. Dies ist einer der größten internationalen Flughäfen des Planeten.«
»Heilige Mutter Gottes«, fluchte Michael.
Sanya pfiff durch die Zähne. »Von hier gehen Flüge in aller Herren Länder. Wenn die Seuche der Denarier ansteckend ist…«
»Ich glaube, das habe ich durch den Vergleich mit dem Schwarzen Tod schon ganz gut zum Ausdruck gebracht.«
Der Russe zuckte mit den Achseln. »Entschuldigung. Was tun wir jetzt?«
»Wir lösen einen Bombenalarm aus, lassen das Gebäude räumen und halten alle Flugzeuge fest.«
»Wir müssen möglichst schnell hinein«, überlegte Sanya. »Wie lange brauchen die Behörden, um zu reagieren?«
»Es funktioniert nur, wenn wir mit jemandem zusammenarbeiten, der sofort handeln kann.«
»Kennen Sie jemanden?«, fragte Sanya.
Ich streckte die Hand zu Michael aus, der mir sein Handy überließ. »Nein«, antwortete ich. »Aber ich kenne jemanden, der jemanden kennt.«
Ich rief Murphy an, bemühte mich, ruhig zu bleiben, und hoffte, das Handy möge nicht an meinem Ohr explodieren. Ich hörte starkes Rauschen und Knacken, konnte der Polizistin aber übermitteln, was ich
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