Silberlinge
wollte.
»Sie sind verrückt, Dresden«, sagte Murphy. »Ist Ihnen klar, wie verantwortungslos – und illegal – es ist, eine falsche Bombendrohung abzugeben?«
»Ja. Weniger verantwortungslos, als zuzusehen, wie Cops und Zivilisten diesen Kerlen in die Quere kommen.«
Murphy schwieg einen Moment. Dann fragte sie: »Wie gefährlich sind sie?«
»Schlimmer als der Loupgarou«, erklärte ich.
»Ich rufe an.«
»Haben Sie Rudolph erreicht?«, fragte ich.
»Er hat es geschluckt. Brauchen Sie noch mehr Kräfte?«
»Davon habe ich genug. Was mir fehlt, ist die Zeit. Bitte beeilen Sie sich.«
»Passen Sie auf sich auf, Harry.«
Ich beendete das Gespräch und stieg aus, Michael und Sanya folgten meinem Beispiel. »Murphy wird eine Bombendrohung melden. Die Cops werden das Gebäude räumen, damit haben wir freie Bahn.«
»So können die Denarier niemanden anstecken und keine Geiseln nehmen«, sagte Sanya.
»Genau. Danach rufen sie die Sprengstoffspezialisten und Verstärkung. Wir haben höchstens zwanzig Minuten, um die Verwirrung zu unserem Vorteil zu nutzen.«
Michael öffnete hinten im Wagen das Werkzeugfach und nahm Shiros Stock heraus. Er band eine Schnur daran und hängte ihn sich über die Schulter, unterdessen gürtete Sanya Esperacchius und holte sich noch ein Sturmgewehr aus dem Werkzeugfach.
»Ist das eine Kalaschnikow?«, fragte ich. »Das sieht eher nach Charlton Heston als nach einem Ritter vom Kreuz aus.«
Sanya schob ein Magazin in die Waffe, lud durch und vergewisserte sich, dass sie gesichert war. »Ich gehe eben mit der Zeit.«
»Das ist für meinen Geschmack zu willkürlich«, sagte Michael. »Zu leicht verletzt man damit Unschuldige.«
»Kann sein«, sagte Sanya. »Aber da drinnen dürften gleich nur noch die Denarier sein, oder?«
»Und Shiro«, ergänzte ich.
»Shiro werde ich ganz sicher nicht erschießen«, versprach Sanya mir.
Michael gürtete Amoracchius. »Wie lange dauert es noch?« In diesem Augenblick setzte im Terminal der Feueralarm ein, und die Polizisten scharten sich zusammen. Ein schlecht gekleideter Detective mit grauen Haaren übernahm die Leitung und teilte Zivilbeamte und Uniformierte ein. Schon strömten die ersten Menschen aus dem Terminal.
»Bittet, und euch wird gegeben«, sagte ich. »Lasst uns einen Personaleingang suchen.«
Sanya schob das Sturmgewehr in die Sporttasche, die er sich über die Schulter gehängt hatte, ließ jedoch eine Hand auf dem Kolben liegen. Michael nickte mir zu, und ich übernahm die Führung. Wir gingen um das Gebäude herum, bis wir einige Flugzeuge erkennen konnten. Das Bodenpersonal lief aufgeregt herum, und mehrere Leute gaben den Piloten mit orangefarbenen Blinklichtern Anweisungen.
Wir mussten über einen Zaun klettern und eine drei Meter hohe Mauer hinunterspringen, um hinter das Terminal zu gelangen, aber in der Dunkelheit und dem Durcheinander achtete niemand auf uns. Durch einen Eingang für das Bodenpersonal drangen wir in das Gebäude ein und standen in einem Raum, der teils als Garage und teils als Lager für Gepäckstücke diente. Die Notbeleuchtung brannte, die Sirenen lärmten. An eine Wand waren Pin-ups aus Kalendern, Fotos von Trucks und ein Plan des Terminals geheftet.
»Wartet mal«, rief ich. Sanya rannte mir in die Hacken. Ich warf ihm einen bösen Blick zu, dann studierte ich den Plan. »Hier.« Ich deutete auf eine markierte Tür. »Wir kommen auf dieser Treppe heraus.«
»Das ist ungefähr in der Mitte«, überlegte Michael.
»In welche Richtung gehen wir?«
»Wir teilen uns«, schlug Sanya vor.
»Schlechte Idee«, sagten Michael und ich im gleichen Augenblick.
»Denk nach«, drängte ich mich selbst. »Wenn ich ein überheblicher, psychotischer, dämonischer Terrorist wäre, der einen Weltuntergang auslösen will, wo würde ich mich aufhalten?«
Sanya beugte sich vor. »In der Kapelle.«
»In der Kapelle«, stimmte Michael zu.
»In der Kapelle«, wiederholte ich. »Also den Flur hinunter, die Treppe hoch und nach links.«
Als ich die Tür am Ende des Flurs aufstieß, hörte ich eine Bandansage, die mich aufforderte, ruhig zu bleiben und mich zum nächsten Ausgang zu begeben. Ich sah mich erst nach rechts und dann nach links um. Genau das rettete mir das Leben.
Ein Mann in einem unauffälligen Anzug beobachtete, mit einer Maschinenpistole bewaffnet, die Tür. Als er mich bemerkte, hob er die Waffe, zögerte einen Moment und eröffnete das Feuer.
Die kleine Verzögerung hatte mir gereicht, um
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