Silberlinge
wichtiger Stützpunkt der TWA ist. Außerdem können sie auch gleich noch im Mississippi schwimmen gehen, wenn sie schon mal da sind.«
»Warum bleiben sie nicht einfach in Chicago?«
Ich nickte in Richtung Michael und Sanya. »Wegen dieser beiden. Außerdem dürften sie wissen, dass Murphys Sondereinheit ihnen große Schwierigkeiten bereiten könnte. Inzwischen suchen sogar schon die normalen Cops nach ihnen.« Nachdenklich betrachtete er Michael und Sanya. »Ich nehme an, Sie wissen, wie Sie das Grabtuch finden können, wenn es der richtige Zug ist?«
»Ja«, sagte ich. »Es läuft so: Sie setzen uns ab, und wir holen das Grabtuch.«
»Ich komme mit«, widersprach Marcone.
»Nein, auf gar keinen Fall.«
»Ich kann Miss Gard jederzeit anweisen, nach O’Hare zurückzukehren. «
»Dann werden wir die Denarier eben nicht aufhalten und alle an der Seuche sterben.«
»Das mag sein. Wie auch immer, ich begleite Sie.«
Ich starrte ihn finster an, schüttelte den Kopf und lehnte mich schaudernd zurück. »Sie sind ein verdammtes Arschloch, Marcone.«
Er lächelte, doch das Lächeln erreichte seine Augen nicht. »Wie ausdrucksstark.« Er blickte aus dem Fenster. »Meine Leute haben mir gesagt, heute Abend führen nur drei Züge von Chicago nach St. Louis. Zwei Güterzüge und ein Personenzug.«
»Den Personenzug werden sie wohl kaum genommen haben«, überlegte ich. »Da müssten sie auf ihre Waffen und die Wächter verzichten, und das werden sie nicht tun.«
»Also steht es fünfzig zu fünfzig, dass dieser Zug hier der Richtige ist«, überlegte Marcone.
Der Hubschrauber ging tiefer, bis die Rotoren die Äste der Bäume neben der Strecke wackeln ließen. Das ist das Schöne am Mittleren Westen – lassen Sie irgendein Rathaus zwanzig Meilen hinter sich, und Sie sehen nichts anderes als dünn besiedeltes Ackerland. Inzwischen hatte ich auch den langen Zug ausgemacht, der unter uns über das Gleis rumpelte.
Michael setzte sich kerzengerade hin und nickte mir zu.
»Das ist der richtige Zug«, sagte ich zu Marcone. »Was jetzt?«
»Ich habe diesen Hubschrauber aus den Beständen der Küstenwache erworben. Er hat eine Rettungswinde. Wir klettern zum Zug hinunter.«
»Sie machen Witze, oder?«
»Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.« Marcone nahm den Kopfhörer ab und wandte sich brüllend an Sanya und Michael. Sanyas Reaktion entsprach der meinen, während Michael nur nickte und die Gurte löste. Marcone öffnete ein Fach und nahm mehrere Nylongeschirre heraus. Eines legte er selbst an, die anderen gab er uns. Dann zog er die Seitentür des Hubschraubers auf, und der Wind schoss in die Kabine. Aus einem weiteren Fach zog Marcone ein Drahtseil. Im Kasten dahinter war die Winde untergebracht. Er führte das Kabel durch einen Ring vor der Tür. »Wer macht den Anfang?«
»Ich.« Michael schob sich nach vorn.
Marcone nickte und klinkte das Kabel am Geschirr ein. Dann sprang Michael aus dem Hubschrauber. Der Gangsterboss legte neben der elektrischen Winde einen Schalter um, und das Kabel rollte sich ab. Marcone beobachtete den Vorgang aufmerksam und nickte schließlich. »Er ist unten.«
Er holte die Winde wieder ein, damit Sanya sich abseilen konnte. Es dauerte zwei Minuten, der Hubschrauber sprang für meinen Geschmack viel zu unruhig in der Luft umher. Endlich nickte Marcone. »Dresden.«
Mit trockenem Mund sah ich zu, wie Marcone mein Geschirr überprüfte und das Kabel einklinkte. »Los!«, rief er.
Begeistert war ich nicht, aber vor seinen Augen wollte ich ganz sicher nicht kneifen. Daher presste ich meinen Stab und den Stock an mich und vergewisserte mich, dass Shiros Schwert auf meinem Rücken saß. Dann holte ich tief Luft und sprang. Ich pendelte ein wenig am Kabel, während es langsam bergab ging.
Der Wind unter den Rotoren des Hubschraubers nahm mir fast die Sicht, doch nach ein paar Sekunden konnte ich den Zug unter mir erkennen. Unser Ziel war ein Güterwagen ganz am Ende, im Grunde nur ein großer Metallcontainer mit flachem Deckel. Der Hubschrauber hatte einen Suchscheinwerfer auf den Zug gerichtet, Michael und Sanya hockten bereits auf dem Container und schauten zu mir hoch.
Ich pendelte und zappelte wie ein Jo-Jo. Ein vorstehender Ast traf meine Beine fest genug, um Prellungen zu hinterlassen. Als ich nahe genug war, packten Michael und Sanya mich und zogen mich ganz hinab.
Als Letzter kam Marcone, sein Gewehr über die Schulter gehängt. Wahrscheinlich bediente Hendricks nun die Winde. Die
Weitere Kostenlose Bücher