Silberlinge
nichts und wieder nichts ausgegeben.«
»Ganz zu schweigen davon, dass die Seuche nicht gut fürs Geschäft wäre«, fügte Marcone hinzu. »Wir dürfen wohl davon ausgehen, dass wir einander zunächst helfen werden. Über die weitere Verwendung des Grabtuchs können wir später noch reden.« Er drehte sich um, tippte dem Piloten mehrmals auf die Schulter und brüllte Anweisungen. Als der Pilot sich umdrehte, erkannte ich, dass es Gard war. Hendricks, der neben ihr saß, drehte sich ebenfalls um, hörte Marcone zu und nickte.
»Also gut.« Marcone lehnte sich zurück, nahm ein großkalibriges Jagdgewehr aus einer Halterung und schnallte sich an. »Gut festhalten, meine Herren. Wir holen uns das Grabtuch.«
Als ich mich eingerichtet hatte, sagte ich zu Michael: »Jetzt fehlt nur noch Wagner, dann hätten wir die passende musikalische Untermalung.«
Ich konnte in der spiegelnden Frontscheibe erkennen, wie Gard aufmerkte, als sie meine Worte hörte. Dann legte sie ein paar Schalter um, und der Walkürenritt dröhnte durch die Kabine.
»Na bitte«, sagte ich, obwohl mir bereits die Ellbogen und Knie weh taten. »Wenn schon, dann wenigstens mit Stil.«
32. Kapitel
Nach einigen Minuten wurde der Flug unruhig. Der Hubschrauber bockte und sprang unberechenbar mehrere Meter weit hierhin und dorthin. Wäre ich nicht angeschnallt gewesen, dann wäre ich möglicherweise gegen die Wände oder die Decke geprallt.
Marcone setzte ein Headset auf und sprach ins Mikrofon, wartete auf die Antwort und erklärte uns brüllend: »Es kann noch schlimmer werden. Die Stabilisatoren werden normalerweise vom Bordcomputer gesteuert, aber der ist gerade ausgefallen.« Er sah mich an. »Über die Gründe kann ich nur spekulieren.«
Ich drehte mich um und schnappte mir ein zweites Headset. »Leck mich doch.«
»Wie bitte?«, gab Gard einigermaßen empört über den Kopfhörer zurück.
»Nicht Sie, Blondie. Ich habe mit Marcone gesprochen.« Er verschränkte leicht lächelnd die Arme vor der Brust. »Schon gut, Miss Gard. Das Mitgefühl gebietet, Zugeständnisse zu machen. Mister Dresden ist in diplomatischer Hinsicht eher unbedarft. Er müsste wegen dieser Taktlosigkeit eigentlich in ein Erziehungsheim eingewiesen werden.«
»Ich sag Ihnen gleich, was Sie mit Ihrem Erziehungsheim tun können«, erwiderte ich. »Marcone, ich muss mit Ihnen reden.«
Er betrachtete mich mit gerunzelter Stirn, dann nickte er. »Wie lange noch, bis wir die Strecke nach Süden erreichen?«
»Wir sind schon darüber«, erwiderte Gard. »In drei Minuten müssten wir den Zug einholen.«
»Sagen Sie mir Bescheid, sobald wir ihn erreicht haben. Mister Hendricks, bitte schalten Sie die Sprechanlage auf Kanal zwei.«
Hendricks sagte nichts, und ich fragte mich, warum er sich überhaupt die Mühe gemacht hatte, ein Headset aufzusetzen.
»So«, hörte ich nach einem Moment Marcones Stimme im Kopfhörer. »Jetzt können wir uns ungestört unterhalten.«
»Warum haben Sie es mir nicht gesagt?«, fragte ich.
»Sie meinen, dass ich Mister Franklin nicht auf Sie angesetzt hatte?«
»Ja.«
»Hätten Sie es mir denn geglaubt?«
»Nein.«
»Sie hätten sicher gedacht, das sei nur ein Trick, oder?«
»Genau.«
»Warum hätte ich dann meine Energie verschwenden und erst recht Ihr Misstrauen erregen sollen? Normalerweise sind Sie recht verständig, wenn Sie genügend Zeit zum Nachdenken haben. Sie wissen selbst, dass ich Sie nicht zum Feind haben will.«
Ich funkelte ihn an.
Er zog eine Augenbraue hoch und erwiderte ohne Furcht und Feindseligkeit meinen Blick.
»Warum wollen Sie das Grabtuch haben?«
»Das geht Sie nichts an.«
»Und ob es mich was angeht. Warum wollen Sie es haben?«
»Warum wollen Sie es haben?«
»Weil die Denarier damit sonst die halbe Menschheit töten werden.«
Marcone zuckte die Achseln. »Das ist auch für mich ein guter Grund.«
»Aber sicher doch.«
»Es geht einfach ums Geschäft, Mister Dresden. Ich kann keine Geschäfte machen, wenn überall Leichen herumliegen.«
»Irgendwie fällt es mir schwer, Ihnen das zu glauben.«
Ich sah Marcones Zähne aufblitzen. »Weil Sie normalerweise ganz verständig sind, wenn Sie genug Zeit zum Nachdenken haben.«
Es piepste im Kopfhörer, dann meldete sich Gard: »Noch fünfzehn Sekunden, Sir.«
»Danke«, erwiderte Marcone. »Warum wollen diese Leute mit dem Grabtuch und der Seuche nach St. Louis?«
»Dort gibt es ebenfalls einen internationalen Flughafen, der zudem ein
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