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Silberlinge

Silberlinge

Titel: Silberlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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keine Lügnerin.
    »Nun, Mister Dresden?«, drängte sie.
    »Sagen Sie ihm bitte, dass ich dringend mit ihm reden muss.«
    »In welcher Angelegenheit?«
    Einen Moment lang dachte ich daran, Michael den Hinweis zum Verbleib des Grabtuchs zu geben. Er war jedoch überzeugt, dass ich umkommen würde, wenn ich mich einmischte. Es war ihm wichtig, seine Freunde zu schützen, und wenn er erfuhr, dass ich herumschnüffelte, konnte er auf die Idee kommen, mich bewusstlos zu schlagen, mich in einen Schrank zu sperren und sich erst später zu entschuldigen. Also kam das nicht in Frage.
    »Sagen Sie ihm, ich brauche bis Sonnenuntergang einen Sekundanten, weil sonst etwas Schlimmes passiert.«
    »Wem?«, fragte Charity.
    »Mir.«
    Sie schwieg einen Moment, dann sagte sie: »Ich werde es ihm ausrichten.«
    Damit legte sie auf.
    Auch ich legte auf und runzelte die Stirn. »Dieses Zögern hatte nichts zu bedeuten«, sagte ich zu Mister. »Es bedeutet nicht, dass sie daran gedacht hat, mich absichtlich töten zu lassen, um ihren Mann und die Kinder zu schützen.« Mister warf mir einen rätselhaften Katzenblick zu. Vielleicht war das auch der Blick, wenn seine Gehirnwellen keine Ausschläge mehr zeigten. Wie auch immer, es war weder hilfreich noch beruhigend.
    »Ich mache mir keine Sorgen«, sagte ich. »Kein bisschen.«
    Misters Stummelschwanz zuckte.
    Ich schüttelte den Kopf, packte meine Sachen und verließ das Haus, um der Spur im Hafen nachzugehen.

12. Kapitel
     
     
     
    Vor meinem Umzug nach Chicago war ein Hafen für mich nichts weiter als ein riesiges, abgetrenntes Stück Meer mit Schiffen und Booten im Vordergrund und verschwommenen Gebäuden und Lagerhäusern im Hintergrund gewesen.
    Der Burnharm Harbor war ungefähr so groß wie drei oder vier Fußballfelder und sah aus wie der Parkplatz eines seetüchtigen Einkaufszentrums. Weiße Molen erstreckten sich weit ins Wasser, Freizeitboote und kleine Fischkutter waren in mehreren Reihen daran festgemacht. Es roch nach toten Fischen, mit Algen bewachsenen Felsen und Schmieröl. Auf dem Parkplatz oberhalb des Hafens stellte ich den Käfer ab und vergewisserte mich noch einmal, dass ich alle nötigen Utensilien bei mir hatte. Ich trug meinen Kraftring an der rechten Hand und das Schildarmband am linken Handgelenk, mein Sprengstock war innen im Ledermantel befestigt und prallte bei jedem Schritt gegen mein Bein. Außerdem hatte ich mir ein Pfefferspray in die Hosentasche gesteckt. Lieber hätte ich den Revolver mitgenommen, aber es war strafbar, eine verdeckte Waffe zu tragen.
    Als ich das Auto abschloss, spürte ich auf einmal einen Druck im Nacken – so warnt mich mein Instinkt, wenn jemand mich beobachtet. Ich hielt den Kopf unten, steckte die Hände in die Taschen und ging zum Hafen. Ich sah mich nicht auffällig um, sondern versuchte, alles zu überblicken, indem ich nur die Augen bewegte.
    Obwohl ich niemanden bemerkte, konnte ich das Gefühl nicht abschütteln, dass jemand mich beobachtete. Allerdings bezweifelte ich, dass es ein Angehöriger des Roten Hofs war. Das volle Tageslicht hatte noch nicht eingesetzt, aber es war hell genug, um einen Vampir zu braten. Damit waren natürlich keineswegs die verschiedenen anderen Meuchelmörder ausgeschlossen, und es war durchaus möglich, dass die Diebe, sofern sie hier waren, das Kommen und Gehen genau beobachteten. So konnte ich nur gleichmäßig weiterlaufen und hoffen, dass nicht ausgerechnet einer von Marcones Vollstreckern oder ein Vampirgroupie den Hafen überwachte oder dass nicht gerade ein Auftragskiller aus ein paar hundert Metern Entfernung meinen Rücken ins Fadenkreuz nahm.
    Schon nach wenigen Minuten entdeckte ich die Etranger. Sie hatte nicht weit vom Eingang festgemacht. Es war ein hübsches kleines Schiff, eine weiße Jacht mit einer geräumigen Kabine. Neu war sie nicht, aber sie wirkte sauber und gepflegt. Auf dem hinteren Deck flatterte die kanadische Flagge an einem kleinen Mast. Ohne mir etwas anmerken zu lassen, ging ich am Schiff entlang und lauschte dabei.
    Das Lauschen ist ein Trick, den ich schon als Kind gelernt habe. Es gibt nicht viele Menschen, die in der Lage sind, alles andere auszublenden, um ein bestimmtes Geräusch, wie etwa ferne Stimmen, deutlicher wahrzunehmen. Es hat meiner Ansicht nach jedoch weniger mit Magie als vielmehr mit Konzentration und Disziplin zu tun. Allerdings hilft die Magie ein wenig.
    »Nicht akzeptabel«, sagte eine Frau in der Kabine der Etranger. Sie sprach mit

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