Silberlinge
Grabtuch her sind. Auftragskiller.«
»Terroristen?«
»Nein, das nicht«, erwiderte ich. »Aber solange Sie das Grabtuch haben, ist Ihr Leben in Gefahr. Wenn Sie mit mir kommen, bringe ich Sie zu jemandem, der Sie beschützen kann.« Francisca schüttelte den Kopf und blinzelte einige Male. »Sie meinen die Polizei.«
Ich meinte die Ritter, wusste jedoch genau, wie sie mit den Dieben umgehen würden, sobald die übernatürliche Gefahr gebannt war. »Genau.«
Anna schluckte schwer und warf einen fragenden Blick zu ihrer Partnerin. Sie machte sich offenbar Sorgen und empfand Mitgefühl. Die Frauen waren nicht nur Spießgesellen im Verbrechen, sondern auch Freundinnen. »Cisca, wir müssen verschwinden«, drängte Anna behutsam. »Wenn uns der hier gefunden hat, sind andere möglicherweise nicht weit.« Die dunkelhaarige Frau nickte und starrte ins Leere. »Ja. Ich mache mich bereit.« Sie richtete sich auf und ging zur Waschmaschine, nahm zwei Sporttaschen heraus und stellte sie auf die Anrichte, dann zog sie Schuhe an.
Anna beobachtete sie einen Augenblick, dann sagte sie zu mir: »So. Wir können natürlich nicht zulassen, dass Sie zur Polizei rennen und alles verraten. Allerdings frage ich mich, was wir mit Ihnen tun sollen, Mister Dresden. Es scheint mir doch sehr nahezuliegen, Sie zu töten.«
»Aber das wird eine Schweinerei«, widersprach ich. »Schon vergessen? Sie hätten einen anstrengenden Tag vor sich.«
Wider Willen musste sie lächeln. »Ach ja, richtig. Das habe ich ganz vergessen.« Dann fischte sie stählerne Handschellen aus der Tasche. Es war die Polizeiausführung, nicht die unartige Sorte, die dem Vergnügen dient. Aus dem Handgelenk warf sie mir die Handschellen herüber, die ich geschickt auffing. »Legen Sie eine um Ihr Handgelenk«, sagte sie. Ich gehorchte. »Da oben am Bullauge ist ein Ring. Legen Sie die zweite um den Ring und verschließen Sie die Handschellen.« Ich zögerte. Francisca zog sich schon den Mantel an, ihr Gesicht zeigte keine Regung. Ich leckte mir über die Lippen. »Sie wissen gar nicht, in wie großer Gefahr Sie beide schweben, Miss Valmont. Sie haben ja nicht die geringste Ahnung. Bitte, lassen Sie mich Ihnen helfen.«
»Ich denke nicht daran. Wir sind Profis, Mister Dresden. Wir mögen zwar Diebinnen sein, aber auch wir haben unsere Berufsehre.«
»Sie haben nicht gesehen, was sie mit Gaston LaRouche gemacht haben. Wie schlimm es war«, wandte ich ein.
»Der Tod ist nun einmal etwas Schlimmes. Der Ring, Mister Dresden.«
»Aber…«
Anna hob die Waffe.
Ich schnitt eine Grimasse und hob die Handschellen zu dem Stahlring, der neben der Treppe in die Wand eingelassen war. Daher schaute ich gerade die Treppe zum Außendeck des Schiffs hinauf, als binnen zwölf Stunden der zweite Denarier auf mich losging.
13. Kapitel
Zuerst nahm ich die Bewegung nur aus dem Augenwinkel wahr und hatte gerade noch Zeit, mich so weit wie möglich zur Seite zu schieben. Der Dämon raste blitzschnell die Treppe herunter und an mir vorbei. Einen Moment später klirrte es metallisch, ich roch Seewasser und getrocknetes Blut. Die beiden Kirchenmäuse kreischten zwar nicht, aber ich konnte nicht sagen, ob es eine bewusste Entscheidung oder ein Nebenprodukt der Überraschung war.
Der Dämon war mehr oder weniger von menschlicher Gestalt und auf verstörende Weise weiblich. Unter den ausladenden Hüften entsprangen die Beine in einem eigenartigen Winkel. Statt Haut hatte sie metallisch schimmernde grüne Schuppen, und ihre Arme endeten in metallischen Händen mit jeweils vier Krallen. Wie Ursiels Dämonenform hatte auch sie zwei Augenpaare, eines strahlend grün, das andere kirschrot. Mitten auf ihrer Stirn glühte ein Siegel.
Ihre Haare waren lang, und damit meine ich wirklich lang. Sie sah aus wie das Produkt einer Liebesnacht zwischen Medusa und Doktor Octopus. Anscheinend bestanden die Haare aus zwei Zentimeter breitem Stahlband. Sie wanden sich wie ein Rudel lebendiger Schlangen, stießen gegen die Wände und den Boden und stützten ihre Trägerin wie ein Dutzend zusätzlicher Gliedmaßen.
Anna erholte sich als Erste von dem Schreck. Sie hatte bereits eine Waffe in der Hand, war jedoch nicht trainiert, sie in einem echten Kampf einzusetzen. Sie zielte mehr oder weniger auf die Denarierin und schoss rasch das Magazin leer. Da ich nur zwei Schritte hinter der Dämonin stand, warf ich mich zur Seite, behielt den Kopf unten und betete, ich möge nicht als
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