Silberlinge
verdecken. Inzwischen stand das Wasser in der Kabine fast bis zum Rand ihrer Kampfstiefel.
Ich hatte Mühe, mich zu konzentrieren. Irgendetwas hinderte mich daran, viel mehr zu tun, als ihr mit den Augen zu folgen. Mir war klar, dass ich schleunigst von hier verschwinden musste, aber mein Kopf schaffte es nicht, den Befehl an meine Arme und Beine zu übermitteln.
Anna Valmont schritt an mir vorbei und stieg die Treppe hoch. Auf halben Wege blieb sie stehen, fluchte und kam wieder herunter, um mir kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen. Der Schock brachte irgendetwas in mir wieder in Gang, und ich setzte mich hustend in Bewegung, obwohl mir immer noch schwindlig war. Ich war schon ein- oder zweimal zu betrunken gewesen, um aufzustehen, doch selbst da war ich besser beieinander gewesen als jetzt.
Die blonde Diebin packte mich am Arm und zog mich mit vor Schmerz verzerrtem Gesicht zwei Stufen hinauf. Ich folgte willig und schaffte es sogar, aus eigener Kraft noch eine weitere Stufe zu erklimmen.
Sie jedoch ging weiter und drehte sich nicht einmal um, als sie sagte: »Ich mach das nur, weil ich Ihren Mantel mag. Kommen Sie nicht wieder in meine Nähe.«
Dann eilte sie hinaus und verschwand mit dem Grabtuch.
In meinem Kopf pochte es, und ich hatte eine Beule, aber allmählich kam ich wieder zu mir. Offensichtlich war ich immer noch nicht bei Verstand, denn ich taumelte wieder in die Kabine hinunter. Francisca Garcias Leichnam war auf die Seite gekippt, die Augen waren blicklos, ihr Mund leicht geöffnet. Das Wasser berührte schon eine Wange, auf der anderen Seite erkannte ich noch Spuren ihrer Tränen. Das Wasser war eine trübe, rotbraune Brühe.
Mein Magen revoltierte, und als auch mein Zorn wieder erwachte, wäre ich beinahe gestürzt. Ich tappte durch das eiskalte Wasser zur Anrichte und nahm das Handy und den leeren Notizblock an mich. Als ich vor Francisca stand, zögerte ich einen Moment. Sie hatte es nicht verdient, dass ihre sterblichen Überreste vom See verschlungen wurden wie eine leere Bierflasche.
Wieder verlor ich fast das Gleichgewicht, das Wasser stieg immer schneller. Es reichte mir schon bis zu den Schienbeinen, und ich spürte vor Kälte kaum noch meine Füße. Ich versuchte, die Tote hochzuheben, wobei mir der Kopf so weh tat, dass ich mich fast übergeben musste.
Ich war sogar zu schwach, um zu fluchen, und musste sie liegen lassen. So beschränkte ich mich darauf, ihr mit einer Hand die Augen zu verschließen. Mehr konnte ich nicht für sie tun. Die Polizei würde sie sicher binnen weniger Stunden finden.
Wenn ich nicht rasch verschwand, würden sie auch mich finden. Ich konnte es mir nicht erlauben, eine Nacht hinter Gittern zu verbringen und verhört, angeklagt und auf Kaution entlassen zu werden. Ich musste mich so bald wie möglich mit Murphy in Verbindung setzen.
In der zunehmenden Kälte verschränkte ich die Arme vor der Brust, nachdem ich Notizblock und Handy eingesteckt hatte, und platschte durchs blutige Wasser in der Etranger nach draußen. Um die Mole zu erreichen, musste ich sogar hochspringen. Oberhalb des kleinen Hafens waren ein paar Leute auf dem Gehweg unterwegs, einige standen auch auf ihren Booten und starrten herüber.
Ich zog den Kopf ein, dachte an unauffällige Dinge und eilte davon, bevor der Morgen noch schlimmer werden konnte.
14 . Kapitel
Im Laufe der Zeit habe ich schon einige Schläge auf den Kopf bekommen. Die Beule, die Anna Valmont mir verpasst hatte, war kleiner als so manche andere, trotzdem pochte mein Kopf, bis ich zu Hause war. Wenigstens hatte mein Magen sich wieder beruhigt, und ich hatte mich nicht übergeben und meine Sachen versaut. Ich schlurfte umher, spülte zwei Schmerztabletten mit einer Dose Cola hinunter und packte etwas Eis in ein Handtuch. Dann setzte ich mich ans Telefon, drückte mir das Eis auf den Hinterkopf und rief Vater Vincent an.
Es läutete nur einmal, bis er sich meldete. »Ja?«
»Es ist in der Stadt«, sagte ich. »Die beiden Kirchenmäuse hatten es auf einem Boot im Burnham Harbor.«
»Haben Sie es?«, fragte Vincent aufgeregt.
»Äh, nein«, gab ich zu. »Leider nicht. Es ist etwas schiefgegangen.«
»Was ist passiert?«, fragte er frustriert und erzürnt. »Warum haben Sie mich nicht angerufen?«
»Eine dritte Partei hat sich eingeschaltet, und was glauben Sie eigentlich, was ich gerade mache? Ich erkannte eine Gelegenheit, das Objekt an mich zu nehmen, habe sie ergriffen und bin
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