Silberlinge
klammerte sich an den Glauben, alles sei völlig normal, und das Reich des Paranormalen sei bloße Einbildung.
Rudy mochte mich nicht. Er mochte auch Murphy nicht. Vielleicht hatte der Bursche Murphys Ermittlungen sabotiert, um sich beim Morddezernat einzuschmeicheln und so der Sondereinheit zu entkommen.
Vielleicht würde er auch ein paar Zähne verlieren, wenn er das nächste Mal in einem verlassenen Parkhaus herumlief. Murphy nahm eine solche Hinterhältigkeit sicher nicht kommentarlos hin. Einen Moment lang gab ich mich der Fantasie hin, wie Murphy Rudys Kopf gegen ihre Bürotür knallte, bis das billige Holz seinen Gesichtsabdruck annahm. Ich fand die Vorstellung geradezu unanständig amüsant.
Schließlich packte ich noch einige Dinge ein, darunter die Gegenmittel, die ich mit Bobs Hilfe gebraut hatte. Unten im Labor bekam ich von Bob nur eine schläfrige, kaum verständliche Antwort, der ich immerhin entnehmen konnte, dass er noch mehr Ruhe brauchte. Also stieg ich wieder hinauf und rief meinen Telefondienst an.
Ich hatte eine Nachricht von Susan bekommen, sie hatte eine Telefonnummer hinterlassen. Als ich anrief, meldete sie sich sofort.
»Harry?«
»Du bist ja eine Hellseherin. Wenn du dir jetzt auch noch einen ausländischen Akzent zulegst, kannst du dir eine Hotline einrichten lassen.«
»Aber klar doch, Mann«, leierte Susan.
»Kalifornien ist nicht ausländisch genug«, wandte ich ein. »Du würdest dich wundern. Wie läuft es so?«
»Einigermaßen«, sagte ich. »Wenigstens habe ich jetzt einen Sekundanten.«
»Michael?«, fragte sie.
»Shiro.«
»Wen?«
»Er ist wie Michael, nur kleiner und älter.«
»Oh, äh. Gut. Ich habe inzwischen die Beinarbeit erledigt.«
Ich dachte sofort an eine ganz bestimmte Beinarbeit, bei der ich Susan früher beobachtet hatte, beschränkte mich jedoch auf ein knappes: »Und?«
»Im Marriott in der Innenstadt findet heute Abend eine Kunstgala mit Galerieverkauf statt, außerdem werden Spenden für wohltätige Zwecke gesammelt.«
Ich pfiff durch die Zähne. »Schau an. Da sind also reichlich Geld und Kunst unterwegs und wechseln den Besitzer.«
»Ein guter Rahmen, um ein wenig heiße Ware abzustoßen«, bestätigte Susan. »Als Veranstalter tritt die Chicago Historical and Art Society auf.«
»Wer?«
»Ein kleiner, sehr elitärer Kunstverein der feinen Gesellschaft. Gentleman Johnny Marcone ist der Vorsitzende.«
»Also ein Hehlertreff«, überlegte ich. »Wie komme ich da rein?«
»Du überweist pro Eintrittskarte eine Spende von fünftausend Dollar an die gemeinnützige Stiftung.«
»Fünftausend«, staunte ich. »So viel Geld hatte ich noch nie in der Hand.«
»Ersatzweise könntest du es auch anders versuchen.«
»Wie denn?«
»Du gehst mit einer Reporterin vom Arcane hin, die für ihre Redakteurin einen letzten Auftrag abwickelt. Ich habe mit Trish gesprochen und konnte zwei Tickets ergattern, die sonst an eine Reporterin der Tribune gegangen wären.«
»Ich bin beeindruckt.«
»Es wird sogar noch besser. Ich habe uns Abendkleidung besorgt. Die Gala beginnt um neun.«
»Uns? Susan, ich will ja nicht nerven, aber erinnerst du dich an das letzte Mal, als du mich bei Ermittlungen begleitet hast?«
»Dieses Mal habe ich die Tickets«, sagte sie. »Begleitest du mich nun oder nicht?«
Ich dachte kurz darüber nach, fand aber keinen Ausweg. Außerdem hatte ich nicht genug Zeit für lange Diskussionen. »Ich bin dabei. Allerdings treffe ich mich um acht mit den Roten im McAnnally’s.«
»Dann hole ich dich dort ab und bringe deinen Smoking mit. Halb neun?«
»Das passt. Danke.«
»Gern geschehen«, erklärte sie. »Es freut mich, dass ich dir helfen kann.«
Das Schweigen dauerte gerade lange genug an, um für uns beide schmerzlich zu werden. Wir brachen es im gleichen Augenblick. »Also, ich sollte…«
»Also, ich lass dich jetzt besser in Ruhe«, sagte Susan. »Ich muss mich sowieso beeilen, um alles zu erledigen.«
»In Ordnung«, antwortete ich. »Pass auf dich auf.«
»Wie war das noch mit den Steinen und Glashäusern, Harry? Bis heute Abend.«
Wir legten auf, und ich vergewisserte mich noch einmal, dass ich alle nötigen Vorbereitungen getroffen hatte.
Dann fuhr ich los, um meinen Sekundanten abzuholen und die Bedingungen für das Duell auszuhandeln, das ich höchstwahrscheinlich nicht überleben würde.
17. Kapitel
Ich zog eine alte, mit Fleece gefütterte Jeansjacke an und fuhr bei meinem Büro vorbei. Der
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