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Silberlinge

Silberlinge

Titel: Silberlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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Wachmann stellte sich erst quer, aber schließlich konnte ich ihn überreden, den Safe im Büro zu öffnen und mir den Umschlag von Vater Vincent auszuhändigen. Darin fand ich eine Plastikhülle, so groß wie eine Spielkarte, wie Münzsammler sie benutzen, um Geldscheine aufzubewahren. Genau in der Mitte befand sich ein ungefähr fünf Zentimeter langer schmutzigweißer Faden. Die Probe vom Grabtuch.
    Damit konnte ich nicht viel anfangen. Wahrscheinlich reichte der einsame Faden nicht aus, um eine Verbindung zum Rest des Grabtuchs herzustellen. Er war seit gut dreißig Jahren vom Tuch getrennt und außerdem durch die Hände unzähliger Wissenschaftler und Priester gegangen. Gut möglich, dass sie alle genügend psychische Überreste auf dem Faden hinterlassen hatten, um jeden Suchspruch ins Leere laufen zu lassen.
    Außerdem war die Probe geradezu winzig. Ich musste extrem vorsichtig sein, wenn ich das Grabtuch mit Hilfe der Magie aufspüren wollte, um den Faden nicht auf die gleiche Weise zu überladen, wie eine zu starke elektrische Spannung den Draht in einer Glühbirne überlastet. Leider bin ich in magischer Feinarbeit nicht sehr gut. Ich habe viel Kraft, aber die Feinabstimmung bereitet mir stets Probleme. Zwangsläufig musste ich also einen sehr sanften Spruch wirken, dessen Reichweite andererseits stark beschränkt war.
    Seine Wirkung ähnelte eher einem Metalldetektor als einem Radargerät, aber das war immer noch besser als gar nichts.
    Statt mir eine weitere Begegnung mit Charity zuzumuten, drückte ich vor Michaels Haus nur auf die Hupe. Gleich darauf erschien Shiro. Der kleine alte Mann hatte sich den weißen Flaum vom Schädel abrasiert, und wo er keine Leberflecken hatte, glänzte die Haut. Er trug eine locker sitzende schwarze Hose, ähnlich jenen, die Murphy bei ihren Aikido-Wettkämpfen anzog, außerdem ein schwarzes Hemd und eine weiße GI-Jacke mit roten Kreuzen auf der Brust. Ein roter Seidengürtel hielt die Jacke zusammen, den Stock mit dem verborgenen Schwert hatte er hinter den Gürtel geschoben. Als er in den Käfer stieg, legte er sich das Schwert quer über den Schoß.
    Nachdem ich losgefahren war, schwiegen wir zunächst eine Weile. Meine Knöchel liefen schon wieder weiß an. »Waren Sie schon einmal an so einem Duell beteiligt?«
    »Hai«, erwiderte er nickend. »Viele Male.«
    »Warum?«
    Shiro zuckte mit den Achseln. »Dafür gibt es viele Gründe. Um jemanden zu beschützen oder ein Wesen zu zwingen, ein bestimmtes Gebiet in Ruhe zu lassen. Um zu kämpfen, ohne andere hineinzuziehen.«
    »Bis zum Tod?«
    Shiro nickte. »Viele Male.«
    »Dann müssen Sie ziemlich gut sein«, meinte ich.
    Shiro lächelte leicht, und die Fältchen um seine Augen vertieften sich. »Immer jemand besser.«
    »Sind Sie schon einmal gegen einen Vampir angetreten?«
    » Hai. Jadehof, Schwarzer Hof.«
    »Jadehof?«, fragte ich. »Davon habe ich noch nie gehört.«
    »Südostasien, China, Japan. Sehr geheim, aber sie halten sich an das Abkommen.«
    »Haben Sie auch schon mal gegen die Denarier gekämpft?«
    Mit gerunzelter Stirn blickte er in die Ferne. »Zweimal. Sie respektieren das Abkommen nicht. Beide Male gab es Verrat.«
    Ich dachte eine Weile darüber nach, ehe ich antwortete. »Ich werde mich für Energie entscheiden. Wenn er das nicht akzeptiert, wird es der Wille sein.«
    Shiro warf mir einen Seitenblick zu und nickte. »Allerdings gibt es etwas noch Besseres.«
    »Was denn?«
    »Nicht kämpfen. Einen Kampf, den Sie nicht ausfechten, können Sie auch nicht verlieren.«
    Ich unterdrückte ein Schnauben. »Dieser Verpflichtung kann ich mich nicht entziehen.«
    »Wenn beide Parteien auf das Duell verzichten, findet es nicht statt«, erklärte Shiro. »Ich werde mit Ortegas Sekundanten sprechen. Ortega wird ebenfalls anwesend sein. Es wäre klug, wenn Sie versuchen, es ihm auszureden.«
    »Ich glaube nicht, dass er sich darauf einlässt.«
    »Vielleicht ja, vielleicht nein. Nicht zu kämpfen ist immer klüger.«
    »Das aus dem Munde eines kämpferischen Ritters vom Kreuz, der eine heilige Klinge führt?«
    »Ich hasse es zu kämpfen.«
    Neugierig sah ich ihn von der Seite an. »Das hört man nicht oft von Leuten, die derart gut darin sind.«
    Shiro lächelte. »Kämpfen ist niemals der beste Weg, aber manchmal notwendig.«
    Ich schnaufte. »Das kann ich verstehen.«
    Danach schwiegen wir, bis wir das McAnnally’s erreichten. Im Licht der Straßenlaternen hatten meine Fingerknöchel die gleiche Farbe

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