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Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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Region südlich von Adein und Rienna zogen sie, zu den unergiebigeren, kleineren Herden, und in die Sicherheit des Landes um Cynmere und den Latham herum.
    Ivor dan Banor, Häuptling des dritten Stammes, war wie so oft die Ausnahme. Nicht, dass er nicht um die Sicherheit seines Stammes besorgt gewesen wäre, seiner Kinder. Kein Mann, der ihn kannte, durfte das annehmen. Es gab einfach noch andere Dinge zu berücksichtigen, dachte Ivor, der spät in der Nacht im Häuptlingshaus noch wach lag.
    Zum einen gehörten die Ebene und die Eltor den Dalrei, und zwar nicht nur symbolisch. Colan hatte sie Revor nach dem Bael Rangat übergeben, ihm und seinem Volk, für alle Zeiten, solange das Großkönigtum Bestand hatte.
    Sie hatten es sich verdient, mit dem wahnsinnigen Ritt voller Schrecken durch Pendaran und das Schattenland und eine Schlaufe im Faden der Zeit, um dann bei Sonnenuntergang singend ein Feld zu erstürmen, auf dem sonst die Schlacht verloren gewesen wäre. Der bloße Gedanke erregte Ivor: dass die Reiter, die Kinder des Friedens, dies vollbracht hatten … Große Männer hatte es damals gegeben. Große Männer, die sich die Ebene verdient hatten. Sie zu besitzen und zu behalten, dachte Ivor. Nicht, um hastig in entlegenen Gebieten Schutz zu suchen, sobald auch nur ein leises Gerücht von Gefahren kündete. Es widerstrebte Ivor zutiefst, vor den Svart Alfar davonzulaufen.
    So kam es, dass der dritte Stamm dablieb. Nicht am Rande von Pendaran – das wäre tollkühn und unnötig gewesen. Fünf Meilen vom Wald entfernt gab es einen guten Lagerplatz, und sie hatten die üppigen Herden der Eltor ganz für sich. Dies war, darin stimmten die Jäger überein, ein Leben im Überfluss. Er hatte bemerkt, dass sie dennoch jenes Zeichen machten, das vor dem Bösen schützte, wann immer die Jagd sie in Sichtweite des Großen Waldes geraten ließ. Es gab einige, wie Ivor wusste, die lieber anderswo gewesen wären.
    Er jedoch hatte noch andere Gründe, zu bleiben. Im Süden war die Lage nicht gut, berichteten die Auberei aus Celidon; Brennin wurde von einer Dürre heimgesucht, und von seinem Freund Tulger vom achten Stamm hatte er geheime Nachricht erhalten, dass es im Großkönigtum Schwierigkeiten gab. Wozu, dachte Ivor, hätten sie sich dem aussetzen sollen? Nach einem harten Winter brauchte der Stamm unbedingt einen milden, lieblichen Sommer im Norden. Sie brauchten die kühle Brise und die fetten Herden, um sich an ihnen gütlich zu tun, und warme Mäntel für den nahenden Herbst.
    Und noch einen Grund gab es. Mehr als nur die übliche Zahl von Knaben würde in diesem Jahr für die Fastenzeit herangereift sein. Frühling und Sommer waren bei den Dalrei die Zeit des rituellen Fastens, und der dritte Stamm hatte sie schon immer am glücklichsten in einem gewissen Hain begangen, der von hier aus in nordwestlicher Richtung lag. Das war Tradition. Ivor selbst hatte hier in der zweiten Nacht seinen eigenen Falken erblickt, der ihn vom Wipfel einer Ulme herab angesehen hatte. Der Faelinnhain war ein guter Ort, und die Jungen hatten es verdient, dort zu liegen, wenn sie konnten. Tabor auch. Sein jüngerer Sohn war vierzehn Jahre alt. Höchste Zeit. Vielleicht würde es in diesem Sommer soweit sein. Ivor zwar zwölf gewesen, als er seinen Falken fand; Levon, sein älterer Sohn sein Erbe, der künftige Häuptling – hatte sein Totem mit dreizehn erblickt.
    Die Mädchen, welche ständig um seine Gunst wetteiferten, erzählten einander flüsternd, Levon habe während seiner Fastenzeit ein Königspferd erblickt. Das entsprach, wie Ivor wusste, nicht den Tatsachen, aber Levon hatte wirklich etwas von einem Hengst an sich, in seinen braunen Augen, dem ungezügelten Gebaren, dem offenen, aufrichtigen Wesen, ja sogar in seinem langen, dichten, fahlen Haar, das er offen trug.
    Tabor dagegen, Tabor war anders. Auch wenn das ungerecht war, sagte sich Ivor – so war doch sein empfindsamer jüngerer Sohn immer noch ein kleiner Junge, er hatte seine Fastenzeit noch nicht hinter sich. In diesem Sommer war es vielleicht soweit, und er wollte, dass Tabor der Glückshain zur Verfügung stand.
    Und neben all diesen hatte Ivor noch einen, den wichtigsten Grund. Ein vager Gedanke im hintersten Winkel seines Bewusstseins, noch nicht klar umrissen. Er beließ ihn dort. So etwas, das wusste er aus Erfahrung, würde ins konkrete Stadium treten, wenn die Zeit reif war. Er war ein geduldiger Mann.
    Also blieben sie da.
    In eben diesem Moment hielten sich

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