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Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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Es herrschte Schweigen zwischen ihnen, dann glich ihre Stimme erneut feinstem Spitzengewebe, schmeichelnd: »Ich habe Fürsprache eingelegt, Herr, willst du es mir nicht gleichtun?«
    »Ihnen zuliebe?«
    »Und um mich zu erfreuen«, warf der Mond ein. »Wie wäre es, wenn wir uns gegenseitig erfreuten?«
    »Das könnten wir.« Dann ein Donnergrollen. Gelächter. »Ich habe Fürsprache eingelegt«, sagte Mörnir.
    »Nicht der Regen«, wandte sie ein, Meeresrauschen. »Der Regen war erkauft.«
    »Nicht der Regen«, entgegnete der Gott. »Ich habe getan, was ich getan habe.«
    »Dann lass uns gehen«, schloss Dana.
    Der Mond versank im Westen hinter den Bäumen. Kurz darauf verhallte der Donner, und droben am Himmel rissen die Wolken auf.
    Und so blieben zuletzt, am Ende der Nacht, im Himmel über dem Sommerbaum nur die Sterne zurück, um sich das Opfer von oben zu besehen, den Fremden, der nackt am Baum hing, nur die Sterne, nur sie.
    Noch vor Morgengrauen regnete es ein zweites Mal, obwohl die Lichtung inzwischen leer war und still, bis auf die Laute des fallenden Regens, des Wassers, das von den Blättern tropfte.
    Und dies war die letzte Nacht Pwylls des Fremden am Sommerbaum.



 
Kapitel 10
     
    Er traf unglücklich auf, doch es gelang ihm, sich wie ein Athlet reflexartig im Fallen abzurollen, und am Ende war er unversehrt auf den Beinen. Allerdings sehr verärgert.
    Er hatte sich dagegen entschieden, verflucht noch mal! Wie, zum Teufel, kam Kim Ford dazu, ihn am Arm zu packen und in eine andere Welt hinüberzuzerren? Wie zum …
    Er hielt inne; seine Wut verrauchte, als die Erkenntnis ihn traf wie ein Hammerschlag. Sie hatte es getan, sie hatte ihn tatsächlich in eine andere Welt mitgenommen.
    Noch vor einem Moment hatte er sich in einem Zimmer im Park Plaza Hotel aufgehalten, und nun fand er sich im Freien wieder, im Dunkeln, mit einem kühl wehenden Wind, einem Wald ganz in der Nähe; als er sich umsah, erblickte er weites, hügeliges Grasland, das sich vor ihm erstreckte, so weit er im Mondlicht sehen konnte.
    Er sah sich um nach den anderen, und als ihm die Tatsache bewusst wurde, dass er allein war, verwandelte sich Dave Martyniuks Wut in Angst. Sie waren keine richtigen Freunde, das stimmte, aber dies war nicht die Zeit oder gar der Ort, um alleingelassen zu werden.
    Weit können sie nicht sein, dachte er und schaffte es, die Fassung zu behalten. Kim Ford hatte seinen Arm festgehalten; das musste doch klar bedeuten, dass sie nicht weit weg sein konnte, sie und die anderen, und dieser Lorenzo-Marcus-Typ, der sie überhaupt erst in die ganze Sache hineingezogen hatte. Und der ihn da auch wieder rausholen würde, oder er müsste sich auf schwere körperliche Schmerzen gefasst machen, schwor sich Martyniuk. Ganz zu schweigen von den einschlägigen Paragraphen der Strafgesetzbücher.
    Was ihn an etwas anderes erinnerte: Als er den Blick senkte, entdeckte er, dass er immer noch Kevin Laines Notizen zum Thema Beweisführung in der Hand hatte.
    Das war so absurd, so unpassend an diesem nächtlichen Ort voller Wind und Gras, dass er sich unwillkürlich entspannte. Er atmete tief ein, wie vor dem ersten Sprung in einem Wettkampf. Es war an der Zeit, sich zu orientieren. Pfadfinderzeit.
    Paras Derval, wo Ailell regiert, hatte der alte Mann gesagt. Irgendwelche Städte am Horizont? Als der Mond hinter einer dahinziehenden Wolkenformation hervorglitt, wandte Dave sich nach Norden in den Wind und sah deutlich den Rangat.
    Er war, wie es der Zufall wollte, ganz und gar nicht in der Nähe der anderen. Kim hatte mit ihrem verzweifelten Griff nach seinem Arm nichts anderes erreicht, als ihn auf der gleichen Ebene zu halten wie die anderen, auf der gleichen Welt. Er befand sich in Fionavar, aber viel weiter nördlich, und der Berg ragte im Mondlicht dreizehntausend Meter hoch auf, blendend weiß.
    »Heilige Mutter Gottes!« rief Dave unwillkürlich aus. Das rettete ihm das Leben.
     
    Von den neun Stämmen der Dalrei waren alle bis auf einen in jener Jahreszeit nach Osten und Süden gezogen, obwohl die besten Weidegründe für die Eltor immer noch im Nordwesten lagen, wie es im Sommer grundsätzlich der Fall war. Die Nachrichten, welche die Auberei aus Celidon mitbrachten, waren jedoch eindeutig: Svart Alfar und Wölfe am Waldrand von Pendaran genügten den meisten Häuptlingen, mit ihrem Volk fortzuziehen. Obendrein hatte es Gerüchte gegeben, wonach sich Urgach unter den Svarts befanden. Das war mehr als genug. In die

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