Silbermantel
erzittern, zu tanzen, sich wieder und wieder neu zu formieren, zu verschmelzen, schließlich ein Wesen aus Licht und aus Klängen zu schaffen, Pendarans und des Mondes.
Als es vorbei war, herrschte Stille, und auf der Lichtung stand ein Etwas, wo zuvor nichts gestanden hatte. Mit den weit aufgerissenen Augen des Neugeborenen, vom Tau benetzt, so dass ihr Mantel im gebärenden Licht glitzerte, erhob sie sich auf unsichere Beine und blieb einen Augenblick so stehen, während ein letzter Laut wie eine einzeln angeschlagene Saite durch den Pendaranwald hallte.
Dann verließ sie langsam, zierlich, wie alle Angehörigen ihrer Gattung, die geheiligte Lichtung. Nach Osten wandte sie sich, denn obwohl sie gerade erst geboren war, wusste sie doch, dass im Westen das Meer lag.
Leicht, leichtfüßig schritt sie über das Gras, und die Mächte Pendarans, all die Tiere, die dort versammelt waren, sie verstummten, als sie vorbeikam, schöner und schrecklicher als irgendeines von ihnen.
Die Göttin hielt sich an die magische Zahl Drei; dies war ihr drittes Werk.
Die höchsten Zinnen hatte er erklommen, so dass das schwarze Starkadh in seiner Gänze unter ihm lag. Das wiedererbaute Starkadh, seine Trutzburg und seine Festung, denn das Bersten Rangats hatte nicht etwa seine Befreiung verkündet – sollten ruhig die Toren noch eine Weile daran glauben –, er war nun schon seit langem frei. Den Berg hatte er ausbrechen lassen, weil er endlich gerüstet war für den Krieg, nachdem der Schauplatz seiner Machtausübung sich aus den Trümmern erhoben hatte und aufs neue das Nordland und Daniloth überragte, undeutlich erkennbar in südlicher Richtung, wo sein innigster Hass auf ewig zu Hause sein sollte.
Doch er blickte nicht auf Daniloth hinab. Stattdessen schauten seine Augen wie gebannt auf die unerhörte Antwort, die der nächtliche Himmel für ihn bereithielt, und in jenem Augenblick kamen ihm Zweifel. Die eine unversehrte Hand reckte er empor, als wollten seine Klauen den Mond vom Himmel kratzen, und es dauerte lange, ehe seine Wut verrauchte.
Doch er hatte sich in den tausend Jahren unter dem Rangat verändert. Das letzte Mal hatte sein Hass ihn verleitet, zu eilfertig vorzugehen. Dieses Mal nicht.
Sollte der Mond heute Nacht ruhig scheinen. Er wollte ihn schon herunterholen, ehe das Ende kam. Er würde Brennin wie ein Spielzeug zermalmen und den Sommerbaum entwurzeln. Die Reiter würden in alle Winde zerstreut werden, Larai Rigal zur Wüste niedergebrannt, Calor Diman in Eridu verunreinigt.
Und Gwen Ystrat würde er dem Erdboden gleichmachen. Sollte der Mond doch ruhig scheinen. Sollte Dana doch versuchen, sich mit leeren Sinnbildern an einem Himmel zu brüsten, der von seinem Rauch verhangen war. Er wollte dafür sorgen, dass sie ebenfalls vor ihm auf den Knien lag. Er hatte tausend Jahre Zeit gehabt, sich dies alles reiflich zu überlegen.
Da lächelte er, denn die letzte Vorstellung gefiel ihm am besten. Wenn alles andere vollbracht war, wenn Fionavar zerschmettert unter seinen Fäusten lag, erst dann würde er sich Daniloth zuwenden. Einen nach dem anderen würde er sie zu sich bringen lassen, die Lios Alfar, die Kinder des Lichts. Einen nach dem anderen hierher nach Starkadh.
Er würde wissen, was er mit ihnen zu tun hatte.
Der Donner war beinahe verhallt, der Regen ein dünnes Nieseln. Der Wind war Wind, nicht mehr. Ein salziger Beigeschmack darin, vom weit entfernten Meer. Die Wolken brachen auf. Der rote Mond stand direkt über dem Baum.
»Frau«, sagte der Gott und dämpfte den Donner seiner Stimme: »Frau, so etwas hast du noch nie getan.«
»Es musste sein«, erwiderte sie, Glockenklang im Wind. »Er ist diesmal sehr stark.«
»Er ist sehr stark«, wiederholte der Donner. »Warum hast du das Wort an mein Opfer gerichtet?« Ein leiser Vorwurf.
Tiefer wurde die Stimme der Göttin, erinnerte an den Rauch der Feuerstellen und an Höhlen. »Bist du darüber erzürnt?« raunte sie.
Da ertönte ein Laut, als freue sich ein Gott. »Nicht, wenn du mich um Verzeihung bittest. Es ist lange her, Frau.« Ein dunklerer Klang, und bedeutungsvoll.
»Weißt du, was ich in Pendaran getan habe?« fragte sie ausweichend, die Stimme zart wie die Morgendämmerung.
»Ich weiß es. Wenn auch nicht, ob zum Guten oder zum Schlechten. Möglicherweise verbrennt es die Hand, die davon Besitz ergreift.«
»Jedes meiner Geschenke ist doppeldeutig«, erklärte die Göttin, und in ihrem Tonfall nahm er ihr uraltes Blut wahr.
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