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Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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sogar zwei Knaben im Faelinnhain auf. Gereint hatte vor zwei Tagen ihre Namen gesprochen, und der Ruf des Schamanen begründete bei den Dalrei den Übergang vom Knaben zum Manne.
    Zwei waren es, die sich in den Hain begeben hatten und fasteten; aber obwohl der Faelinn Glück bedeutete, war er andererseits Pendaran recht nahe, und Ivor, Vater seines gesamten Stammes, hatte in aller Stille Vorkehrungen getroffen, sie zu beschützen. Es würde sie beschämt haben und ihre Väter, hätten sie davon gewusst, daher hatte er Torc mit nichts als einem bedeutsamen Blick dazu veranlasst, ihnen ungesehen nachzureiten.
    Torc entfernte sich oft des Nachts vom Lager. Das war seine Art. Die Jüngeren pflegten zu scherzen, sein Totemtier müsse ein Wolf gewesen sein. Sie lachten ein wenig zu laut darüber, sie fürchteten sich ein bisschen. Torc: Er hatte tatsächlich etwas von einem Wolf an sich, mit seiner hageren Gestalt, seinem langen, glatten schwarzen Haar und den dunklen, rätselhaften Augen. Nie trug er ein Hemd oder Mokassins; nur seine Beinkleider aus Eltorleder, schwarz gegerbt, damit er des Nachts nicht gesehen werden konnte.
    Der Ausgestoßene. Seine eigene Schuld war es nicht, das wusste Ivor, und beschloss zum hundertsten Mal, etwas gegen diesen Spitznamen zu unternehmen. Es war auch nicht die Schuld von Tores Vater Sorcha gewesen. Einfach Pech. Aber Sorcha hatte eine trächtige Eltorkuh getötet. Ein unglücklicher Zufall, darin waren sich die Jäger bei der Versammlung einig: Der Bock, dem er den Hieb versetzt hatte, war durch eine Laune des Schicksals der Kuh neben sich vor die Beine gefallen. Die Kuh war über ihn gestolpert und hatte sich das Genick gebrochen. Als die Jäger herangekommen waren, hatten sie feststellen müssen, dass sie trächtig war.
    Ein unglücklicher Zufall, der es zuließ, dass Ivor das Todesurteil in Verbannung abänderte. Mehr konnte er nicht tun. Kein Häuptling durfte sich über die Regeln hinwegsetzen und sein Volk weiterhin anführen. So war Sorcha also verbannt worden; ein einsames, düsteres Schicksal, von der Ebene vertrieben zu werden. Am nächsten Morgen fanden sie Meisse, seine Frau, von eigener Hand getötet vor. Der elfjährige Torc, ihr einziges Kind, war zurückgeblieben, von einem tragischen Schicksal zweifach gezeichnet.
    In jenem Sommer war er von Gereint benannt worden, im gleichen Sommer wie Levon. Mit gerade erst zwölf Jahren hatte er sein Totemtier gesehen und war hiernach für immer ein Einzelgänger am Rande des Stammes geblieben. Ein Jäger so gut wie jeder andere in Ivors Volk, wenn nicht gar, der Ehrlichkeit halber musste Ivor das zugestehen, ebenso gut wie Levon. Oder vielleicht doch nicht ganz, nicht ganz so gut.
    Der Häuptling lächelte im Dunkeln vor sich hin. Das, dachte er, ist Eigenlob. Torc war doch ebenfalls sein Sohn, alle Angehörigen seines Stammes waren seine Kinder. Außerdem hatte er den finsteren Mann gern, auch wenn Torc sehr schwierig sein konnte; und er hatte Vertrauen zu ihm. Torc war verschwiegen und tüchtig, wenn es um Aufgaben wie diese heute Nacht ging.
    Wach neben Leith in seinem Bett, umgeben von seinem Volk im Lager, die Pferde während der Nacht auf der Koppel, war Ivor wesentlich ruhiger, da er wusste, dass Torc dort draußen in der Dunkelheit bei den Knaben weilte. Er drehte sich auf die Seite und versuchte einzuschlafen.
    Einen Augenblick darauf nahm der Häuptling einen gedämpften Laut wahr und erkannte, dass noch jemand im Haus wach sein musste. Er konnte Tabors unterdrücktes Schluchzen in der Kammer hören, die er sich mit Levon teilte. Es war schwer für den Knaben, das wusste er; vierzehn war ein hohes Alter, um noch nicht benannt worden zu sein, vor allem für einen Häuptlingssohn, für Levons Bruder. Er hätte seinen jüngeren Sohn gern getröstet, wusste jedoch, dass es klüger war, den Knaben in Ruhe zu lassen. Es war nicht schlecht, zu erfahren, was Schmerz bedeutete, und selbst damit fertig zu werden, trug dazu bei, die Selbstachtung zu stärken. Tabor würde es schon schaffen.
    Nach einer Weile verstummte das Schluchzen. Und schließlich entschlummerte auch Ivor, obwohl er zunächst noch etwas tat, was er schon lange nicht mehr getan hatte.
    Er verließ die Wärme seines Lagers, Leith, die in tiefem Schlaf neben ihm lag, und ging, nach seinen Kindern zu sehen. Zuerst die Knaben; der blonde, unkomplizierte Levon, der nußbraune drahtige Tabor; und dann betrat er Lianes Kammer.
    Cordeliane, seine Tochter. Mit

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