Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
Vom Netzwerk:
ihn anstarrte. Zeit seines Lebens hatte Diarmuid dan Ailell eine solche Wirkung auf andere Menschen ausgeübt. Die beringte Hand an die Wand gestützt, lehnte er lässig in der Tür und nahm Lorens Verbeugung entgegen, während er sie der Reihe nach musterte. Es dauerte einen Augenblick, ehe Kim imstande war, einige seiner Vorzüge gesondert wahrzunehmen: den schlanken, graziösen Körperbau, die hohen Backenknochen im allzu feingeschnittenen Gesicht, den breiten, ausdrucksvollen Mund, der im Augenblick gerade träge Belustigung anzeigte, die juwelengeschmückten Hände, und die Augen … den zynischen, spöttischen Ausdruck in den tiefblauen Augen des Königlichen Thronfolgers im Großkönigtum. Sein Alter war schwer zu schätzen; nahe ihrem eigenen, nahm sie an.
    »Ich danke dir, Silbermantel«, sagte er. »Eine zeitige Rückkehr und eine rechtzeitige Warnung.«
    »Es ist töricht, Euren Vater wegen Tegid herauszufordern«, begann Loren. »Diese Angelegenheit ist bei weitem zu unbedeutend –«
    Diarmuid lachte. »Du erteilst mir Ratschläge? Schon wieder? Ein Übergang hat dich nicht verändert, Loren. Dabei habe ich meine Gründe, meine Gründe …« murmelte er zweideutig.
    »Das bezweifle ich«, erwiderte der Magier. »Es sei denn, Ihr meint Eure Verderbtheit und den Wein der Südfeste.«
    »Beides gute Gründe«, pflichtete Diarmuid ihm mit strahlendem Lächeln bei. »Wen«, sagte er sodann in völlig verändertem Tonfall, »hast du für Metrans Festzug morgen mitgebracht?«
    Loren, der an so etwas offenbar gewöhnt war, stellte ihm die anderen vor, ohne eine Miene zu verziehen. Kevin, der als erster genannt wurde, verbeugte sich in aller Form. Paul tat es ihm nach, wobei er die Augen nicht von denen des Prinzen abwandte. Kim nickte bloß. Und Jennifer. »Ein Pfirsich!« rief Diarmuid dan Ailell aus. »Silbermantel, du hast mir einen Pfirsich zum Knabbern mitgebracht.« Das Geschmeide, welches er an Hals und Handgelenk trug, funkelte im Fackelschein, als er vortrat, Jennifers Hand ergriff, sich tief darüber beugte und sie küsste.
    Jennifer, die weder vom Charakter noch von ihrer Erziehung her geneigt war, so etwas ruhig hinzunehmen, ließ ihn ihren Ärger spüren, als er sich wieder aufrichtete.
    »Sind Sie immer so unverschämt?« fragte sie. Und weder in ihrer Stimme noch im Blick ihrer grünen Augen war auch nur die geringste Wärme zu erkennen.
    Doch das hielt ihn nicht lange auf. »Fast immer«, antwortete er fröhlich. »Zum Ausgleich habe ich zwar auch einige positive Eigenschaften, allerdings kann ich mich nie so genau entsinnen, welche das sein sollen. Ich wette«, fuhr er fort, und man konnte dabei seinen abrupten Stimmungswechsel erkennen, »in diesem Augenblick schüttelt Loren hinter meinem Rücken in tragischer Missbilligung den Kopf.« So war es denn auch. »Also gut«, meinte er sodann und wandte sich dem finster dreinblickenden Magier zu, »wahrscheinlich erwartet man nun von mir, dass ich mich entschuldige?«
    Er grinste, als er Lorens ernsthafte Zustimmung sah, dann wandte er sich erneut an Jennifer. »Es tut mir leid, du süßes Geschöpf. Schuld sind der Alkohol und ein anstrengender Ritt am Nachmittag. Du bist von außerordentlicher Schönheit und hast es wahrscheinlich schon mit bösartigeren Annäherungsversuchen zu tun gehabt. Habe Nachsicht mit mir.« Das war geschickt formuliert. Leicht verwirrt stellte Jennifer fest, dass sie lediglich ein Nicken zustande brachte. Was ein weiteres, unterschwellig spöttisches Lächeln hervorrief. Sie errötete, und ihre Verärgerung war wieder da.
    Loren mischte sich in barschem Tonfall ein. »Du benimmst dich schlecht, Diarmuid, und das weißt du auch.«
    »Genug jetzt!« knurrte der Prinz. »Versuch nicht, mich zu bevormunden, Loren.« Die beiden Männer beäugten sich gereizt.
    Als Diarmuid jedoch wieder zum Sprechen ansetzte, geschah dies in milderem Ton. »Ich habe mich schließlich entschuldigt, Loren, das musst du anerkennen.« Nach einer kurzen Pause nickte der Magier.
    »Gut«, sagte er. »Wir haben ohnehin keine Zeit für Streitereien. Ich brauche Eure Hilfe. Zwei Punkte. In der Welt, aus der ich diese Leute herübergebracht habe, wurden wir von einem Svart angegriffen. Er ist Matt und mir gefolgt, und er trug einen Vellin-Stein.«
    »Und der andere Punkt?« Trotz seiner Trunkenheit war Diarmuid jetzt ganz Ohr.
    »Es gibt noch einen fünften Menschen, der mit uns herübergekommen ist. Wir haben ihn verloren. Der Mann befindet sich in

Weitere Kostenlose Bücher