Silbermuschel
ist jetzt erst mal Schluß. Da kommt schon der Aufzug.«
Der Lift tauchte empor, mit leisem Klingelgeräusch. Die Türen glitten auf. Die Liftführerin, in blauer Uniform und weißen Handschuhen, verneigte sich in ihrem leuchtenden Käfig. Ken schob mich sanft vorwärts. Michael trat einen Schritt näher und versperrte uns den Weg. Ken blieb stehen, den Kopf leicht geneigt, als 185
würde er in sich selbst hineinhören. Nach wie vor hielt er meine Hand mit festem, ruhigem Griff. In einem plötzlichen Wutausbruch wandte sich Michael direkt an mich.
»Das könnte dir so passen, daß du mit ihm abhaust und dich von ihm knutschen läßt und ihm womöglich alles brühwarm über mich erzählst!«
Die Liftführerin machte ein entsetztes Gesicht. Ein Licht blitzte im Anzeiger auf. Die Liftführerin drückte hastig auf den Knopf. Michael sprang vor, um den Lift anzuhalten. Die Schiebetüren schlossen sich vor seiner Nase. Der Aufzug glitt lautlos abwärts. Ken warf mit nachlässiger Kopfbewegung sein Haar aus der Stirn.
»Sorry, wenn ich für fremde Bettgeschichten wenig Interesse aufbringe. Ich habe an meinen genug.«
Michaels Lippen krümmten sich.
»Ersparen Sie mir Ihre Faxen, Sie Aufschneider! Mir steht nicht der Sinn danach! « Er streckte den Arm aus, klingelte hektisch nach dem Lift.
»Sie fahren jetzt zwei Stockwerke tiefer, an die Bar. Wakarimasuka? –
Verstanden? Da können Sie sich besaufen, bis wir hier oben fertig sind.«
Ken kniff leicht die Augen zusammen.
»Sie machen den Eindruck, als wollten Sie eine Entscheidung für mich treffen.
Ich glaube, ich habe etwas dagegen.«
Er sah Michael drei volle Sekunden an, ehe er mich mit einer sehr ruhigen, natürlichen Bewegung hinter sich schob. Im selben Atemzug hob Michael die geballte rechte Faust an sein Kinn.
»Als Student konnte ich ziemlich gut boxen. Und ich traue mir zu, daß ich es immer noch kann.«
Ken betrachtete ihn nachdenklich.
»Wenn meine Knochen in Whisky aufgeweicht wären, würde ich mit dieser Behauptung etwas vorsichtiger umgehen.«
Ich bemerkte, wie der Chef des Restaurants, der beunruhigt das Geschehen aus dem Hintergrund überwachte, einem Kellner ein Zeichen gab. Der Kellner verschwand hinter einem Paravent.
Michael wurde immer streitlustiger. Kens Gelassenheit, an der seine Wut abprallte wie ein Stein gegen eine Wand, nahm ihm jede Selbstbeherrschung.
»Wollen Sie sich mit mir anlegen, verdammt noch mal? Wollen Sie wirklich, daß ich Ihnen ein paar Zähne ausschlage?«
»Sie sollten sich lieber schlafen legen. Allein, würde ich Ihnen empfehlen.
Bestenfalls mit einem Glas Milch.«
»Noch ein Wort, und ich dresche Sie windelweich!«
Ken seufzte hörbar.
»Das Hotel ist auf seinen guten Ruf bedacht. Die Direktion sieht es bestimmt nicht gern, wenn wir vor der Lounge randalieren.«
»Aber, aber, beruhigen Sie sich doch! « rief Charles mit nervös zuckendem 186
Gesicht. »Sie werden doch wohl nicht eine Schlägerei anzetteln?«
»Hör auf, Michael!« schaltete sich Franca verärgert ein. »Du benimmst dich unmöglich. Was sollen denn die Leute denken? Jetzt wird Kaffee getrunken. Ist das klar?«
Sie zog ihn am Ärmel. Michael schüttelte sie ab, mit der Sturheit des Betrunkenen, und schlug mit geballter Faust auf Ken ein. Die Faust blieb in der Luft stecken. Ken hatte sie abgewehrt, mit knallharter, blitzschneller Armbewegung.
»Oh!« sagte Franca.
Michaels Faust zuckte vergeblich drei- oder viermal empor. Ken rührte sich nicht vom Fleck. Er federte nur leicht in die Knie, wobei seine angewinkelten Arme mühelos von rechts nach links schnellten. Michael kam einfach nicht an ihn heran.
»Donnerwetter!« entfuhr es Charles.
Einige Atemzüge lang schwankte Michael auf den Beinen hin und her, dann ging die Wut mit ihm durch.
»Du Mistkerl! « schrie er und warf sich auf Ken. Im selben Augenblick machte Ken eine leichte Drehung, so daß er hinter ihm zu stehen kam. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit fuhr sein Arm um Michaels Hals, während gleichzeitig sein linker Arm unter Michaels Achselhöhle schnellte. Michaels Augen traten aus den Höhlen, und einen kurzen Augenblick lang hing er hilflos da. Ebenso schnell ließ ihn Ken wieder los. Michael fiel keuchend gegen die Wand und hustete sich die Lungen aus dem Leib.
Ein betretenes Schweigen folgte. Die Kellner flüsterten im Hintergrund.
Michael lehnte ächzend an der Wand und schnappte nach Luft. Ken zog gelassen das rote Band am Hinterkopf enger.
»Ich habe mir
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