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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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ich den ganzen Versicherungskram erledigen. Als ich endlich im Imperial anrufen konnte, hieß es, jetzt rede gerade der Botschafter. Eine Viertelstunde später war es der Präsident der Handelskammer. Ich sagte, man solle dir ausrichten, daß ich nach zehn da sein würde. Das Dumme ist nur, daß viele meiner Landsleute vor Fremdsprachen den Bammel kriegen. Beißen sich lieber die Zunge ab, als einer Gaijin etwas vorzustottern. Dabei lernt jeder in der Schule Englisch.«
    Seine Stimme tönte dicht an meiner Wange; ich lauschte weniger auf die Worte als auf den Klang, die tiefen und leisen Schwingungen mit ihrer beruhigenden Wirkung. Mein Zittern ließ nach. Alle Spannung, aller Zwang waren plötzlich wie gelockert. Als wir unten ankamen, konnte ich mich wieder auf den Füßen halten.
    Eng umschlungen gingen wir durch die Halle, und Ken sagte:
    »Stört es dich nicht, wieder mit dem Motorrad zu fahren? Es ist nicht sehr weit.«
    »Wohin fahren wir?«
    »Du wirst schon sehen.«
    Wir traten aus der hellerleuchteten Halle. Ich lächelte, als ich Kens Motorrad unter einem Baum erblickte. Parkverbote schien er großzügig zu übersehen. Ich atmete ein paarmal tief ein und aus. Die kühle Luft tat mir gut. Wind hatte sich aufgemacht. Vor dem Hotel klatschten sämtliche Fahnen gegen ihre Stangen. Ken hielt mir den Helm hin, und ich stieg hinter ihm auf den Sitz. Er gab behutsam Gas und kurvte über die Straße.
    Der Verkehr hatte nachgelassen. Ich umfaßte Ken mit beiden Armen, preßte mich eng an ihn. Klar und leuchtend war die Nacht und wölbte sich über die Stadt; die Hochhäuser glänzten, als atmeten ihre Steine Licht aus. Ein zunehmender Mond, eine klare Sichel, zog eine ferne Wolkenbank an. Die Helligkeit ließ auf dem Asphalt ein weißes Flimmern spielen. Eine seltsame Leichtigkeit war in mir, und alles hallte darin wider, wie in einer hohlen Muschel. Ich wußte nicht mehr, ob ich schwitzte oder fror, ob ich wachte oder träumte. Die Straße war breit und klar, Ken ließ den Motor gleichmäßig laufen. Der Schatten der Maschine, wie mit chinesischer Tusche auf den Asphalt gezeichnet, glitt auf einer mond- und sternenhaften Bahn dahin. Mir war, als ob ein Luftraum uns erfaßte, uns höher und 189
    immer höher trug, dem klaren Himmel entgegen. Als wir an einer Ampel hielten, umfaßte Ken plötzlich meinen Arm, drückte ihn eng und heftig an sich; meine Finger massierten seine Hüften, krallten sich an seinen Oberschenkeln fest. Ich merkte, wie er seine Jeans aufknöpfte.
    »Ken, bist du verrückt?«
    Er lachte leise.
    »Das hat der Gaijin auch schon wissen wollen.«
    »Trägst du nie einen Slip?«
    »Seit heute morgen nicht.«
    Die Ampel wechselte auf Grün. Ken gab ruckartig Gas; die Maschine schnellte vorwärts, bohrte sich mit voller Geschwindigkeit in die Nacht. Ich preßte mich an ihn, meine Hand drang unter den Stoff, zuerst zaghaft, dann tiefer, bis ich sein Geschlecht vollständig umfaßte, es unter meinen Fingern pochen und glühen fühlte. Das Mondlicht glitzerte auf der Straße wie flüssiges Silber, wir überholten eine Anzahl roter Pünktchen; Autos, die schattenhaft zurückblieben. Andere Scheinwerfer schwärmten uns entgegen. Meine Finger kreisten und drangen in Kens Fleisch, ich ließ den Wind durch meine Liebkosungen fahren, den Wind mit seinem Salzgeschmack, seiner fliegenden Hitze. Dunkle Bäume, hell erleuchtete Schaufenster huschten an beiden Straßenseiten vorbei. Ich versank in dieser Lichterstadt, sie liebte mich, sie nahm mich in sich auf, wie ein Sternenstrudel. Der Wind tanzte über uns, holte uns ein, trug uns davon. Die Maschine raste in atemberaubendem Tempo, flog weiter, immer geradeaus, wie auf einer Zeitreise.
    Das Dröhnen des Motorrads ging mir unter die Haut, in meinem Bauch brannten Kohlen. Ich ließ meine Hände wandern, meine Finger träumten in samtenen Flammen, entfachten einen Krampf, der Liebkosung und Schmerz war; jede Bewegung vollzog sich ohne mein Zutun, wiederholte sich in meinen Gedanken.
    Und plötzlich kreischten die Reifen, das Motorrad zog eine scharfe Kurve, bog in eine Seitenstraße ein. Fuhr langsamer, hielt an. Ken stellte den Motor ab. Einige Atemzüge lang saßen wir bewegungslos, ohne ein Wort. Er atmete ebenso hastig wie ich. Nach einer Weile nahm er behutsam meine Hand, führte sie an seine Lippen, strich mit der Zunge über jeden Finger. Ich riß meinen Helm vom Kopf.
    Ich atmete wie eine Ertrinkende, preßte mich an ihn, stöhnte mit geschlossenen Augen,

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