Silbermuschel
zauberhaft. Solche Orte, ich träumte davon, ich dachte, ich würde sie niemals kennenlernen. Wie hast du diese Herberge entdeckt?«
»Ach, ich wohne manchmal hier, wenn ich in Tokio bin.«
Allein oder mit einer Frau? Ich schob den Gedanken sofort beiseite. Denk nicht daran. Nicht jetzt.
»Das Haus ist ruhig gelegen«, fuhr Ken fort, »und Akiko-san ist eine gute Köchin. Komm mal hierher.«
Er zeigte mir die Waschgelegenheit und die Toilette, bei der es sich um eine Art Porzellanbidet handelte, aus dem ein einzelnes, gebogenes Rohr herauskam, das in der Wand steckte.
»Stört es dich?« fragte Ken.
Ich mußte lachen.
»In Südfrankreich gibt es ähnliche. Und nicht so sauber wie diese! «
Er grinste.
»Ja, ich weiß.«
Er wies auf die Plastikpantoffeln vor der Tür.
»Vergiß nicht, die Pantoffeln zu wechseln, bevor du zur Toilette gehst. Wir sind darin etwas heikel. Das hängt mit unseren Reinigungsriten zusammen.
Vielleicht hast du das Gefühl, daß wir uns das Leben unnötig schwermachen«, setzte er spöttisch hinzu, »aber es ist meistens nur eine Frage der Höflichkeit.«
Akiko-san, die draußen im Gang gewartet hatte, sagte einige Worte, die Ken übersetzte.
»Sie wird gleich die Betten machen und uns Essen bringen.«
»Ich bin nicht hungrig.«
»Du wirst es werden. Du hast ja im Imperial alles stehen lassen.«
192
»Woher weißt du das?«
Er blinzelte mir schelmisch zu.
»So was errät man. Inzwischen gehen wir baden. Komm!«
Wir gingen in unser Zimmer zurück und schoben die Schiebetür zu. Ken kniete nieder und öffnete eine Schublade. Da lagen, schön zusammengefaltet und frisch gestärkt, zwei Yukata, diese bequemen Gewänder aus Baumwolle, die ich bereits im Hotel vorgefunden hatte und die – wie ich feststellen konnte – von den Japanern in ihrer Freizeit auch draußen getragen wurden. Ken zog sein T-Shirt über den Kopf. Ich knöpfte meine Bluse auf, riß am Reißverschluß, stieg aus meinem Rock, schnell, wobei ich ihm den Rücken zukehrte, als wollte ich seinem Blick entgehen; aber es war nicht das. Ich begehrte ihn einfach so stark, daß mir schwindlig wurde.
Hastig zog ich Slip und Büstenhalter aus, griff nackt nach der Yukata, schüttelte sie, um sie auseinanderzufalten. Ich fühlte, daß er mich ansah, auf mich zukam. Er hatte seine Yukata schon angezogen. Ich starrte ihn fasziniert an. Das Gewand mit den weiten, halblangen Ärmeln, mit einer Gürtelschärpe, die über den Hüften geknotet wurde und die Breite der Schultern betonte, erschien mir als das Schönste, was ein Mann je tragen kann. Die Yukata war für schlanke, straffe Körper gemacht. Und nichts vermochte die Kraft und den sinnlichen Schmelz eines Mannes besser zur Geltung zu bringen als dieses kühle, steifknisternde Gewand, das herbe Schlichtheit mit Eleganz verband.
»Kommst du zurecht?« fragte er unbefangen. Er legte seine Hand auf meinen noch erhobenen Arm, mit einer ruhigen, unbetonten Bewegung.
»Die Yukata mußt du immer von links nach rechts übereinanderschlagen, umgekehrt wird es nur bei den Toten gemacht, und unsere Gastgeberin wäre schockiert. Sie ist von den Gaijins zwar einiges gewohnt, aber immerhin…«
Er neckte mich, doch ich starrte ihn nur an, brachte keinen Ton über die Lippen. Auf einmal zog er mich an sich, so daß ich aufstöhnte, riß mich mit lähmender Kraft in seine Arme. Wir küßten uns, lange, gierig und atemlos. Kens Hände unter dem losen Gewand strichen über meine Schultern, meinen Nacken, über Brust und Bauch. Seine Hände waren wie Federn, die eine schmale Spur auf meinem Körper zogen. Sie waren meiner Haut vertraut, jede Pore erkannte sie wieder, richtete sich wonnevoll auf. Wir standen fest aneinandergepreßt. Seine Finger wanderten an meinen Hüften entlang, über die Lenden hinaus, drangen behutsam und tief in mich ein. Eine beseligende Trägheit breitete sich bis zu den Knochen in mir aus, mir war, als ob ich innerlich schmolz. Kens zärtliche Finger spreizten mein Fleisch wie einen Blütenkelch; ich hatte noch nie so empfunden.
Sie verloren sich tiefer in mir, erreichten den Eingang, wo einst der Tod auf mich gewartet hatte. Sie strichen heilend und läuternd über die verborgene Wunde, die manchmal offen und manchmal geschlossen war. Sie lösten ein sanftes Strahlen in mir aus, berührten mein entblößtes Herz, brachten es zum Hämmern und Rasen.
Seine Finger hatten den Punkt gefunden, wo das Gift früher vergossen wurde, 193
lösten in mir alle
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