Silbermuschel
gut«, sagte er. »Mach nur weiter, ich habe das sehr gern.«
Ich streichelte mit der Zunge die Innenfläche seiner Hand.
»Ach du! Wie soll ich nur ohne dich leben?«
»Das verlangt keiner von dir. Ich habe dir ja gerade einen Antrag gemacht.«
Seine Finger legten sich um meinen Nacken, gruben sich in mein Haar. Er bog meinen Kopf zurück, sprach dicht an meinem Mund, wobei er bei jedem Atemholen die Zähne leicht in meine Lippen grub.
»Du bist meine Frau, obwohl du noch mit einem anderen verheiratet bist. Du läßt dich jetzt von ihm scheiden und bist ihn los. Und dann kommst du zu mir, und wir heiraten, wie und wo ist mir egal.«
»Ich bitte dich!« stöhnte ich. »Versteh mich nicht falsch…«
Er ließ mich nicht ausreden. Seine Zunge glitt über meine Lippen und verlockte sie, sich für ihn zu öffnen; tauchte dann in meinen Mund und brachte mich halbwegs um den Verstand. Auf einmal ergriff er meine Hand, ließ sie über seinen Körper gleiten. Seine Augen funkelten ironisch.
»Siehst du nur, was du mit mir machst? Nennst du das jetzt Sex oder Liebe?
Wir könnten den Körper trennen von dem, was das Herz empfindet, und es würde uns nicht viel ausmachen, daß dein Flugzeug morgen geht. Ersatz ist schnell gefunden. Doch in der Einheit von Körper und Seele wird die Liebe zur heilenden Kraft. Du könntest mich nehmen, jetzt, sofort, und wir würden beide explodieren.
Leider kommt gleich Akiko-san, und das wäre ein bißchen peinlich. Wir Japaner sind sehr zurückhaltend, sehr schamhaft. A honto! Sag jetzt endlich, heiratest du mich?«
»Oh, Ken! Was tust du mit mir?«
»Ich will, daß du mich begehrst. Und ich will dir gefallen. Ich will, daß du mich aus einer Entfernung von hundert Metern in dir spürst. Du sollst in Tausenden von Nächten mein letzter heiterer Anblick und an ebenso vielen Morgen mein erstes 205
schönes Bild beim Erwachen sein. Ich möchte Träume und Phantasien mit dir teilen, mich ganz geben und ebensoviel nehmen.«
Er legte mir beide Hände auf die Schultern und lächelte sein reizendes Lächeln.
»Glaube ja nicht, daß ich auf Konventionen Wert lege. Konventionen sind für mich wie Kleider, die man ablegt, bevor man hinaus ins Meer schwimmt. Aber du bist empfindsam wie ein kleines Mädchen in der Welt der Erwachsenen. Ich muß dich in Sicherheit wissen, sonst verbringe ich schlaflose Nächte. Darum halte ich die Arme um dich, damit dich niemand verletzt. Dieser idiotische Gaijin soll mir kein zweites Mal über den Weg laufen! Ich will, daß du frei und stark wirst. Und wenn dir das jetzt alles zu schnell geht, nun, wir gehen ja nicht schon morgen zum Standesamt. Auf beiden Seiten der Weltkugel haben die Behörden eine lange Leitung. Aber das spielt keine Rolle. Was zählt, ist das Versprechen, das ich dir gebe. Und ich will nicht noch einmal zwanzig Jahre vertrödeln. So, und jetzt bin ich fertig, du kannst lachen oder weinen, wie du willst. Aber sage bitte nicht nein.«
Der Wind wehte stärker. Die Büsche vor den Fenstern knirschten und knarrten.
Die kleinen heißen Flammen in meinem Rücken strahlten sanft bis unterhalb des Nabels aus. Ich drückte mein Gesicht an seine Schulter, mein Mund glitt auf der Baumwolle hin und her. Unter dem Stoff fühlte ich seine Haut, diese kühle, elastische Glätte.
»Nun?« fragte er zärtlich.
Die Angst sitzt in mir wie eine Seuche, ich bringe sie niemals zur Ruhe. In meinem Körper habe ich zu viele Wunden, zu viele Narben. Ich bin schmutzig, widernatürlich, unmenschlich. Ich habe niemand. Ich habe nur dich. Auch wenn du es selber nicht weißt, dein ganzes Wesen ist dem Licht zugewandt. Ich fürchte nicht den Schmerz, doch ich sehne mich plötzlich so sehr danach, daß du mir sagst:
»Es ist nichts, es wird alles gut, es war nur ein böser Traum.« Daß du mich noch einmal, ein einziges Mal in die Arme nimmst, daß du mit deiner sanften Stimme alle Verlassenheit vertreibst und mir wie einem Kind Vergessen schenkst. Aber ich komme von zu weit her, und es ist auch zu spät.
Ich löste mich von ihm, um ihn ganz anzusehen, und sagte leise:
»Wie sage ich auf Japanisch: Ich liebe dich?«
»Hirameki – Sie hat geschaltet! « rief er erfreut. Ohne die Augen von mir abzuwenden, sprach er mir die Worte langsam vor.
»Watashi anata ga daisuki.«
Ich flüsterte die Worte wie im Traum.
»Habe ich sie richtig ausgesprochen?«
Er hob meine Hand an sein Gesicht, streifte sie mit seinem Kinn, seinen Wangen, seinen Lippen, strich mit der
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